Biotop unter Strom

TRIER-QUINT. Als einziger Stromnetzbetreiber hat RWE Rhein-Ruhr einen Biotop-Management-Plan entwickelt, um die Interessen sicherer Stromversorgung und des Naturschutzes zu verbinden. Seit fünf Jahren wird das Pflegekonzept auch auf der Freileitungstrasse bei Trier-Quint umgesetzt, wodurch neuer Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten entstand.

Freileitungen transportieren Strom über große Entfernungen. Dafür werden hohe Spannungen benötigt. 220 000 Volt fließen zum Beispiel auf der Strecke von Hohewurzel bis zum Umspannwerk Trier-Quint. Ein Sicherheitsbereich, Trasse genannt, soll diese den Wald durchquerende Hochspannungsleitung vor umstürzenden oder heranwachsenden Bäumen schützen. "Bis vor zehn Jahren funktionierte das so: Man ließ die Bestände einfach wachsen und holzte sie nach ein paar Jahren komplett ab. Das führte zu einer Zäsur in der Landschaft", sagt Michael Wahl, verantwortlich für die Leitungskontrolle bei RWE Rhein-Ruhr. "Häufiger, aber schonender pflegen"

Ein Förster bei RWE entwickelte im Jahr 1992 ein neues und preiswerteres Konzept mit dem Prinzip: "Häufiger, aber dafür schonender pflegen". In Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg und Planungsbüros wurden Bestände dokumentiert und Pflegepläne entwickelt, die Art, Umfang und Zeit forstlicher Arbeiten vorgeben. Der Plan für die Quinter Stromtrasse entstand im Jahr 2000, in Abstimmung mit der zuständigen Naturschutzbehörde. Die Pflegearbeiten wurden ausgeschrieben, den Zuschlag erhielt die Revierförsterei Trier-Ehrang. Förster Günther Schmitz findet das ideal, denn: "Wir sind sowieso Eigentümer des Geländes, sind immer vor Ort und haben die Entwicklung im Blick." Überließe man die Trasse sich selbst, würden sich auf dem sauren Boden hauptsächlich schnellwüchsige Kiefern und Birken ansiedeln und alles andere verdrängen, erklärt Schmitz. Seine Aufgabe ist es, diese Arten zugunsten langsamer wachsender, wie Buchen oder Eichen, einzudämmen. "Wir steuern den Wettbewerb der Pflanzen, um den Charakter des Dauerwaldes mit unterschiedlichen vertikalen Strukturen zu erhalten." Das geschehe jährlich zum Beispiel mittels Mulchen, zur Verjüngung der Pflanzengesellschaften oder durch Wipfelköpfung, wenn einzelne Bäume zu hoch würden. Nach fünf Jahren schonender Eingriffe ist ein sanfter Übergang von Wald über Waldrand zu offener buschiger Landschaft entstanden, auf der sich auch wieder Heide angesiedelt hat. Michael Wahl, der bei RWE Rhein-Ruhr 70 Biotop-Management-Projekte auf einer Fläche, die 13 000 Sportplätzen entsprechen, betreut, sagt: "Durch die vielseitige Vegetation kommen spezielle Insekten und Vögel, und es entsteht eine neue Nahrungskette." In Quint wurden bereits seltene Arten wie Schwarzspecht, Gartenläufer oder Ziegenmelker beobachtet. Auch Wild ist dank des großen Nahrungsangebots durch verjüngte Pflanzen stark vertreten. "Jetzt warten wir nur noch auf das Haselhuhn, das hier Deckung und ideale Lebensbedingungen fände", sagt Förster Schmitz.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort