"Bisher hat sich keiner aufgeregt"

Weil ein Pfarrer sich weigert, den Namen ihres verstorbenen Sohnes beim Jahrgedächtnis zu nennen, lässt die Mutter jetzt die Messe in einer anderen Pfarrei lesen. Bistumsweit gibt es keine einheitliche Regelung.

Zemmer/Welschbillig. Vor einem knappen Jahr ereilte Marlies Herschbach (58) aus Zemmer-Daufenbach ein Schicksalsschlag, wie er größer kaum sein kann: Ihr Sohn Torsten (32) nahm sich das Leben. Er sei kein einfaches Kind gewesen, sagt sie rückblickend, aber dennoch hatte sie ihn genauso in ihr Herz geschlossen wie die beiden anderen Söhne Stefan und Andreas.

Marlies Herschbach ist über den Suizid ihres Sohnes noch nicht hinweg und klammert sich an alles, was ihr bei der Verarbeitung des Geschehenen hilft. Ein Schritt dazu sollte auch das Jahrgedächtnis für Torsten am 4. Oktober in der Kordeler Pfarrkirche sein. In Kordel, dem Geburtsort von Marlies Herschbach, ist ihr Sohn beerdigt worden; gewohnt hatte er zuletzt in Welschbillig. Für beide Orte zuständig ist Dechant Berthold Fochs, den die Daufenbacherin vor einigen Wochen wegen der Bestellung der Messe, verbunden mit einem besonderen Wunsch, aufgesucht hatte. "Ich habe ihm gesagt, wie wichtig die Nennung des Namens meines Sohnes in der Messe für mich ist, aber er lehnt das grundsätzlich ab", sagt Marlies Herschbach.

Es könne keine Ausnahme und keine Sonderregelung geben, meint der Dechant. Als er vor sieben Jahren die Pfarrei übernommen habe, seien auch keine Namen genannt geworden. Fochs: "Bei aller Traurigkeit in diesem speziellen Fall, aber ich muss doch alle gleich behandeln. Es würde den Gottesdienst sprengen, alle Namen zu nennen, wie schnell hat man einen überlesen. Bisher hat sich keiner darüber aufgeregt, die Verstorbenen nicht zu nennen."

Mit den Worten "Erbarme dich besonders der Verstorbenen, für die wir diese Messe feiern" gebe es ja einen Kompromiss, so der Dechant weiter. Im Übrigen würden die Namen aller Verstorbenen der Pfarrei am 2. November, dem Allerseelen-Tag, laut vorgelesen.

Bistum macht keine Vorgaben



"Ich habe die Messe bezahlt und zahle Kirchensteuer, dann kann ich auch erwarten, dass der Name meines Sohnes genannt wird", so der Standpunkt von Marlies Herschbach. Sie lässt jetzt die Messe für Torsten am 11. Oktober in Zemmer lesen. Der dortige Pfarrer Bernd Seibel habe kein Problem mit den Namen. Vorgaben für Namensnennungen bei Sechswochenämtern oder Jahrgedächtnissen macht die Kirche keine. Dazu Bistums-Sprecher Stephan Kronenburg: "Das wird in die Verantwortung des jeweiligen Pfarrers gelegt."

Meinung

Nicht nur Schall und Rauch

Ein Name ist nicht nur Schall und Rauch. Er begleitet einen ein Leben lang - von der Geburt bis zum Tod. Offenbar in der katholischen Kirche wirklich nur bis zum (irdischen) Tod, und nicht darüber hinaus. Man braucht sicherlich keinen Glaubenskrieg darüber zu entfachen, ob nun der Name eines Verstorbenen in Gedächtnismessen genannt werden muss oder nicht. Nur: Für Angehörige und Freunde ist es ein sehr persönlicher und auch tröstlicher Moment, wenn der Priester denjenigen nennt, für den die Messe gehalten wird - ein kleiner Nebensatz nur, der aber etwa für die um ihren Sohn trauernde Mutter enorm wichtig ist. Andere wollen möglicherweise auf eine Namensnennung verzichten, weil ihnen gerade das hilft. Es wäre sinnvoller, die Angehörigen im Einzelfall entscheiden zu lassen anstatt die Priester. a.follmann@volksfreund.de

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