Blumen zum Leben erwecken

TRIER. Die Holzschnitte Vincent van Goghs waren im Kunstunterricht in der Schule für Pia Schmitt der Auslöser, sich mit der Kultur Japans zu beschäftigen. Sie begann 2002 ihr Japanologie-Studium und erhielt während eines Austauschjahres in Osaka auch Einblick in Ikebana, die Kunst des Blumensteckens.

Japan ist ein modernes Land, das in vielen kulturellen Bereichen aber auch stark in der Jahrtausende alten Tradition verhaftet ist. Feste, Theater und Rituale, wie die Tee-Zeremonie, werden gepflegt und zelebriert. Um nicht nur Sprache, Literatur und theoretische, landeskundliche Aspekte, sondern auch Alltag und Kultur Japans kennen zu lernen, nahm Pia Schmitt (23) im Rahmen ihres Studiums an einem Austauschprogramm mit der Osaka Gakuin Universität teil. Zwischen September 2004 und Juli 2005 konnte sie in den Uni-Kursen in Osaka vielfältige, wertvolle Erfahrungen sammeln, erlebte die sprichwörtliche Freundlichkeit japanischer Menschen. Außerdem wohnte sie in einer Gastfamilie, die ihr Einblick in ihr Leben gewährte und ihr ermöglichte, darüber hinaus mit der Kultur Japans in Kontakt zu treten. Vor allem das traditionelle Nô- und Kabuki-Theater habe sie schon in Deutschland fasziniert, sagt Pia Schmitt. Kannte sie Aufführungen bislang nur aus Videomitschnitten, konnte sie während ihres Japan-Aufenthalts selbst Vorstellungen besuchen. Ihre Gastfamilie habe sich gewundert, dass sie Interesse dafür zeigte und schenkte ihr zum Weihnachtsfest Eintrittskarten für das Kabuki-Theater. "Es war zwar schwer, die alte Sprache zu verstehen, aber schön, das Geschehen auf der Bühne zu beobachten." Durch den Kontakt zu einem ihrer Dozenten konnte sie sogar in der Werkstatt einer Maskenschnitzerin hinter die Kulissen schauen. Ihr Interesse für Tradition und Kultur führte Schmitt auch in einen Ikebana-Kurs, den eine Bekannte ihrer Gastmutter besuchte. "Da konnte ich am eigenen Leib erfahren, was für eine schwierige Kunst das ist", sagt sie. Denn im Gegensatz zur bloß dekorativen Form des Blumenbindens in der westlichen Welt, soll im Ikebana eine Harmonie von linearem Aufbau, Rhythmik und Farbe entstehen. Die Schönheit der Natur und deren Darstellung, das Wesen, die Essenz der je nach Jahreszeit verwendeten Blumen und Zweige sowie die Vasen und Elemente für die Gestaltung der Umgebung des Gesteckes haben symbolische Bedeutung. Außerdem seien Denkweise und innere Einstellung des Künstlers wichtig für den Schaffensprozess, erklärt Schmitt. Die Grenzen zwischen künstlerischem Werk und naturgegebener Schönheit sind fließend. "Ich stehe noch ganz am Anfang beim Erlernen dieser Kunst. Die Ausbildung zum Ikebana-Meister dauert Jahrzehnte." Im Unterricht bei Lehrerin Nukaga Miki sollte sie nach deren Vorbild die "Blumen zum Leben erwecken", so eine poetische Übersetzung von Ikebana. Quasi als Bausatz nahm sie dann die Einzelteile mit ins Haus der Gastfamilie, wo sie die Blumen, Zweige, Steine, Schalen und Vasen wieder zusammenfügte. Japanisches Zimmer zeigt Seele der Natur

In einer gesonderten Nische in einem traditionell japanischen Zimmer dienten sie dann nicht nur dekorativem Schmuck, sondern in Verbindung mit Kalligraphien als Kunst, die die Seele der Natur darstellt, eine zweite Natur auf kleinstem Raum zeigt und die von Gästen beim Besuch Wertschätzung durch ausgiebige Betrachtung erfährt. In Zusammenarbeit mit ihren Trierer Japanologie-Professorinnen Stanca Scholz-Cionca und Hilaria Gössmann ist es Pia Schmitt gelungen, einen Besuch Nukaga Mikis mit ihren zehn Schülerinnen in Trier zu organisieren. Auch Schmitts japanische Gastmutter reist mit der Gruppe mit. In einer Ausstellung im Gästeraum der Uni wird Miki ihre Kunst vorstellen. Die Gestecke wurden gestern Morgen angefertigt und sind auch heute, Donnerstag, noch zu bewundern. Besucht werden kann die Ikebana-Ausstellung von 10 bis 13 Uhr im Gästeraum der Uni.

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