Brandts Erben: Trierer SPD feiert 125-Jähriges

Trier · Der Ortsverein Trier der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, kurz SPD, feiert sein 125-jähriges Jubiläum. Drei Mitglieder aus drei Generationen erklären, warum sie in der Partei aktiv sind.

 Die Trierer SPD-Lokalpolitiker Fabian Sinh Schmand, Jutta Föhr und Edith Centner-Wommer (von links) im Karl-Marx-Haus.

Die Trierer SPD-Lokalpolitiker Fabian Sinh Schmand, Jutta Föhr und Edith Centner-Wommer (von links) im Karl-Marx-Haus.

Foto: Frank Goebel

Am 16. November 1890 begründen 50 Arbeiter und Handwerker in der Dietrichstraße den Ortsverein Trier der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Das ist kurz nach Ende der sogenannten Sozialistengesetze, mit denen Reichskanzler Otto von Bismarck die "Sozen" kleinhalten wollte. Bei der Wahl 1893 ist die Sozialdemokratische Partei erfolgreich wie nie zuvor. In Trier reicht es erst 1919 für den Stadtrat.

Der Nationalsozialismus bedeutet das Parteiverbot und viele persönliche Opfer - wie Jakob Möschel, ermordet von der SA. Nach dem Krieg etabliert sich die Partei rasch wieder, holt 1964 bei der Stadtratswahl 42 Prozent. Ein dramatischer Einschnitt dann in den 90ern: Im heftigen Streit spalten sechs Abtrünnige die Partei durch Gründung der Unabhängigen Bürgervertretung Maximini (UBM).

2005 verhilft die Ministerin Malu Dreyer als Vorsitzende der Trierer SPD zu neuem Selbstbewusstsein. Ihr Ehemann und Parteigenosse Klaus Jensen wird 2006 zum Oberbürgermeister gewählt. Heute ist Dreyer Ministerpräsidentin, Sven Teuber Kreisvorsitzender, und die SPD stellt in Wolfram Leibe weiterhin den OB. Im Stadtrat macht den Genossen allerdings ein schwarz-grünes Bündnis zu schaffen.Drei Generationen, drei Aussagen

Drei SPD-Mitglieder veranstalten für den Trierischen Volksfreund ein Treffen der Generationen und erzählen TV-Mitarbeiter Frank Göbel, wie sie zur Politik kamen - und was ihnen die Partei bedeutet.

Fabian Sinh Schmand (17): "Es ist gerade ziemlich verbreitet, sich zu beschweren - aber um wirklich etwas zu ändern, muss man sich auch einbringen. Ich habe jedenfalls 2014 beschlossen, mir verschiedene Parteien und ihre Programme anzusehen - und mich bei der SPD am ehesten wiedergefunden. Schon kurz darauf konnte ich bei drei Wahlen kräftig mitarbeiten. Noch länger bin ich im Jugendparlament aktiv. Weil es da für 22 Sitze nur genau so viele Bewerber gab, musste aber gar nicht gewählt werden. Ich finde das schon problematisch.

Politikverdrossenheit kommt zwar nicht nur bei der Jugend vor - aber es stimmt schon, dass für viele junge Leute jede Form der Mitbestimmung Politik ist. Und die steht gerade nicht sehr hoch im Kurs! Da ist immer sofort ein Karrierevorwurf im Raum, oder Politiker sind generell Lügner.

Oft versuchen Leute, mit mir über die Haltung der SPD in der Bundespolitik zu diskutieren - zum Transatlantischen Freihandelsabkommen oder zur Vorratsdatenspeicherung zum Beispiel. Manchmal kann ich das aber nicht, weil ich mich in manchen Dingen nicht so kompetent fühle. Natürlich habe ich immer meine eigene Meinung, aber bis ich so viel über die Außenpolitik weiß wie Frank-Walter Steinmeier, müsste ich wohl noch sehr viel nachholen.

Aber wir vertrauen solchen Leuten und wählen sie darum auch in ihre Positionen. Natürlich hat man auch innerhalb der Partei zu verschiedenen Themen oft auch unterschiedliche Meinungen, aber grundsätzlich orientieren wir uns doch an den sozialdemokratischen Grundwerten - und die führen meiner Meinung nach einfach auch zu den naheliegenderen Lösungen.

Die Flüchtlingswelle ist derzeit das drängendste Thema. Langfristig fordert uns aber etwa auch der demografische Wandel. Und auch da liefert die Sozialdemokratie die richtigen Antworten."

Zur Person: Als Schüler des Max-Planck-Gymansiums Trier paukt Fabian Sinh Schmand dort Latein, Chemie und Geschichte als Hauptfächer. Er ist Mitglied des Jugendparlaments und macht für die Trierer Jusos die Öffentlichkeitsarbeit. Außerdem begeistert er sich für Philosophie, Psychologie und auch Sport: Als Parcours-Läufer hechtet er schon mal durch den Beton-Dschungel der Stadt.

Jutta Föhr (56): "Ich wurde erst recht spät parteipolitisch aktiv: 2001, mit über 40, wollte ich mich lokal ehrenamtlich einbringen. Da ich es mit Sport und Vereinen nicht so habe, blieb eigentlich nur ein Parteieintritt als logischer Schluss. Vorher war ich schon viele Jahre gewerkschaftlich engagiert, im Verdi-Bezirksvorstand und als Personalrätin.

Von meiner politischen Sympathie war mir die SPD immer am nächsten. Eingetreten bin ich dann schließlich, nachdem ich an einem SPD-Stand mit den Leuten ins Gespräch gekommen bin. 2004 bin ich in den Stadtrat gewählt worden, seit 2008 bin ich Ortsvorsteherin von Trier-Süd. Man muss oft einigen Idealismus mitbringen, um das zu machen.
Auch ehrenamtliche Politik wird oft ziemlich wenig wertgeschätzt. Das kann einen schon traurig machen, wenn man dann so Sachen hört: Ihr Politiker lügt ja doch alle nur. Oder: Ihr wollt euch alle nur die Taschen vollmachen und steht jeden Abend an einem anderen Buffet. Unfassbar!

Die Leute sind oft so schlecht informiert und bemühen sich auch gar nicht, es besser zu wissen, sagen dann aber solche Sachen. Dann fragt man sich schon manchmal: Bin ich denn doof, dass ich dafür meine Freizeit hergebe?

Na ja, aber zum Glück trifft man natürlich auch ganz viele nette Menschen und kann so viel bewegen - vor allem auf lokaler Ebene. Für die große Bundespolitik fühle ich mich eher nicht so zuständig. Wer da mit mir darüber diskutieren will, was in Berlin entschieden wird, dem sage ich schon mal, er soll sich doch lieber an seinen Bundestagsabgeordneten wenden.

Welche Probleme anstehen, für die Sozialdemokratie die richtigen Lösungen liefert? Also was in Trier ganz aktuell ist: Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum - auch, aber nicht nur für Flüchtlinge!"

Zur Person: Erst spät zur Politik gekommen, setzt sich die ledige Trier-Süderin Jutta Föhr heute vielfältig ein: Die technische Mitarbeiterin im Landesuntersuchungsamt ist als Ortsvorsteherin und im Stadtrat aktiv - und außerdem im Stadtrechtsausschuss, im Dezernatsausschuss IV, im Umlegungsausschuss, im Beirat für Umweltschutz und im Denkmalpflegebeirat.

Edith Centner-Wommer (89): "Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität - das waren Werte, die mich ganz früh angesprochen haben - vor allem nach der schrecklichen Hitler-Zeit. Vor den ersten freien Wahlen hat mein Vater gesagt: ,Gell, du wählst Adenauer!’ ,Im Leben nicht’, habe ich gesagt. Eingetreten bin ich erst 1969 - noch vor der Bundestagswahl. Meine Söhne konnten es nicht glauben: ihre Mutter in einer Partei. Dann traten sie auch alle bei.

Aber Willy Brandt hat nicht nur mich beeindruckt: Manchmal hatte ich nicht genug Aufnahmeformulare dabei, so eine Anziehungskraft hatte der. Bei den Versammlungen im SPD-Ortsverein habe ich erst still in der letzten Reihe gesessen. Irgendwann wurde ich stellvertretende Vorsitzende im Ortsverein Mitte/Gartenfeld. Da musst du gar nichts machen, hieß es. Und dann wurde der erste Vorsitzende schwer krank. Später hatte ich 20 Jahre lang den Vorsitz und saß von 1974 bis 1999 im Stadtrat.

Toll, dass wir den Kahlschlag im Weißhauswald verhindert haben! Ich bin sehr behütet im Wald aufgewachsen, weil mein Vater Förster war, da fand ich das undenkbar. Der spätere Oberbürgermeister Helmut Schröer (CDU) hat zu mir gesagt: "Da brauchen Sie gar nicht stolz drauf sein!" Bin ich aber.

Schlimm war die Abspaltung von Manfred Maximini, dem viel Unrecht getan wurde. Ich weiß noch, wie beschlossen wurde: Wir gründen jetzt die UBM. Ich habe geweint und gefleht: Tut das nicht! Dann hieß es: Bist du nicht bei uns, bist du unser Feind. Das war schon hart. Aber die SPD ist mein Leben! Ein Austritt kam nie in Frage.
Ach, der Willy bleibt unerreicht - auch wenn wir tolle Leute in der Partei haben - wie unseren Oberbürgermeister Wolfram Leibe. Der tut mir manchmal leid. Der muss sich heute mit acht Parteien herumschlagen, das muss man sich mal vorstellen.

Und dann koalieren die Grünen auch noch mit der CDU - das ist doch unerhört!"

Zur Person: Edith Centner-Wommer, ehemalige Krankenschwester und Mutter dreier Söhne, war die erste weibliche Ortsvereinsvorsitzende der SPD im Land. Sie saß 25 Jahre im Stadtrat und zehn Jahre im Ortsbeirat Trier-Mitte/Gartenfeld. 1979 begründete sie die Bürgerinitiative "Rettet den Weißhauswald!". Sie ist bis heute aktiv als Seniorenbeauftragte in Mitte/Gartenfeld.
Termine zum Jubiläum

Eine Auswahl der Veranstaltungen, mit denen die SPD ihren Geburtstag feiert:
Sonntag, 20. September:
13 bis 17 Uhr, Kinderfest der SPD Kürenz im Schlosspark
Ab 15 Uhr, Stadtspaziergang durch die Geschichte(n) der Trierer SPD (Start am Frankenturm, Dietrichstraße).

Freitag, 25. September:
Ab 18 Uhr, Werkstatt Demokratie: Auslauf- oder Zukunftsmodell? Kasino am Kornmarkt - mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Journalistin Wibke Bruhns, dem Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, dem luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn und Politikwissenschaftler Professor Winfried Thaa.

Sonntag, 27. September:
11 Uhr, Mitgliederehrung im Römersaal der Vereinigten Hospitien, Irminenfreihof, mit dem SPD-Landesvorsitzenden Roger Lewentz. red

Alle Termine finden Sie auf der Internetseite der Trierer SPD .

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