Die Spannung war den Auguren der City-Initiative anzusehen, als sie sich im Wandelgang vor dem IHK-Tagungszentrum versammelten, um die eintreffenden Mitglieder zu begrüßen. Die Spekulationen waren in den letzten Tagen mächtig ins Kraut geschossen. Von "aus dem Hut gezauberten" Gegenkandidaturen war die Rede, mancher prognostizierte gar eine Palastrevolution gegen den gesamten Vorstand. Doch als es zum Schwur kam und der Wahlleiter die potenziellen Bewerber für den Vorsitz nach ihren Ambitionen befragte, erntete er nur Absagen. Galeria-Kaufhof-Manager Hans P. Schlechtriemen blieb der einzige Kandidat, und es gab keinen Kritiker, der Zweifel an seiner Qualifikation geäußert hätte. Zuvor war die Versammlung weniger harmonisch verlaufen. Der stellvertretende Vorsitzende Albrecht Thul hatte im Rechenschaftsbericht des Vorstands jede Aufklärung über die internen Querelen ausgespart, die das Gremium zuletzt erschüttert hatten und die zum endgültigen Rückzug des bisherigen Vorsitzenden Georg Kern führten. Die Mitglieder aber mochten die unerquicklichen Vorgänge nicht einfach unter den Teppich kehren. Es könne nicht sein, "dass Dinge im Raum stehen und keiner sich traut, sie anzusprechen", kritisierte Media-Markt-Chef Ralf Reichert - und erntete dafür lautstarken Beifall. Wirtschaftsdezernentin Christiane Horsch musste in die Bresche springen, um Schadensbegrenzung zu betreiben. Es habe "Kommunikationsfehler" gegeben, aber nun müsse man "den Blick nach vorne richten". Eine überforderte Versammlungsleitung brachte die Veranstaltung teilweise an den Rand des Tohuwabohus. Mitten in der Antragsdebatte wurden Grundsatzreden gehalten und Kandidaten propagiert, während der Aussprache wurden plötzlich Anträge zur Abstimmung gestellt, die noch gar nicht diskutiert waren. Dann entstand eine heftige Debatte über einen Vorstandsbeschluss, Funktionsträger der City-Initiative dürften keine Aufgaben in anderen Gewerbevereinen der Region übernehmen. Zum Glück versuchte niemand, die Konfusion auszunutzen. Es gab immer wieder Redebeiträge, die sich sachlich bemühten, eine Struktur in die Diskussion zu bringen. Spätestens als klar wurde, dass es nur einen Kandidaten für den Vorsitz geben würde, war die Luft raus. Hans P. Schlechtriemen stellte ein umfassendes "Wahlprogramm" vor, dessen zentrale Punkte (Ausrichtung auf Luxemburg, Förderung des Shopping-Tourismus, Initiative zur Belebung der Innenstadt) offenkundig auf breite Unterstützung stießen. Die eingeforderte "breite Basis" gab es dann auch: Mit 53 von 71 Stimmen wurde der neue Vorsitzende gewählt. "Chef-Kritiker" Ralf Reichert ließ sich in die Pflicht nehmen und kandidierte als Schatzmeister. Der Abschluss gehörte Georg Kern, der mit "standing ovations" verabschiedet wurde - und mit einer Horsch-Laudatio, die mehr Redezeit in Anspruch nahm, als Kern in seiner langen Amtszeit als Vorsitzender wohl je benötigt hatte.