Bußgeld, Sozialstunden oder Hilfe

Schulschwänzen ist erstens kein Kavaliersdelikt und zweitens in Trier ein Problem: Zwar sind die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr in etwa gleich, aber dadurch wird die Arbeit für die beiden Projekte, die sich um Schulverweigerer kümmern, nicht geringer (der TV berichtete).

 Lieber draußen rumlungern als am Unterricht teilnehmen: Schulschwänzen ist auch in Trier ein Problem. Foto: dpa

Lieber draußen rumlungern als am Unterricht teilnehmen: Schulschwänzen ist auch in Trier ein Problem. Foto: dpa

Trier. Schulverweigerung ist in Trier nicht neu: Schon 2005 hatte die Nikolaus-Koch-Stiftung das Problem erkannt und schrieb einen mit insgesamt 100 000 Euro dotierten Wettbewerb für Projekte gegen Schulschwänzer aus. Die ersten Preise gingen an die beiden Institutionen, die sich auch aktuell den Problemfällen widmen. 50 000 Euro erhielt die Gesellschaft für Psychologische und Soziale Dienste für ihr Projekt "Aufsuchendes Krisenmanagement bei Schulverweigerung" (AKM-S). Bis Ende diesen Jahres läuft die Förderung durch die Nikolaus-Koch-Stiftung, und in den ersten beiden Jahren unterstützte AKM-S 96 Schüler bei der Wiedereingliederung in den "normalen" Schulbetrieb. Zweiter Preisträger war das bereits seit dem Jahr 2001 bestehende Projekt "Reintegration in die Zukunft ("RidZ") des "Palais e.V.", dessen Förderung ebenfalls Ende 2008 ausläuft. Beide Projekte arbeiten Hand in Hand und auf verschiedenen Ebenen. Während AKM-S im frühen Stadium der Schulverweigerung direkt in den Familien ansetzt und dort dafür sorgt, dass ein "entsprechendes Umfeld für die Wiederaufnahme des Schulbesuchs" geschaffen wird, landen bei "RidZ" die Fälle, die aktuell in den Schulen keine Zukunft sehen. Durch "Unterricht an einem anderen Ort", den Räumen des "Palais e.V.", wird versucht, die Schwänzer wieder an einen geregelten Tagesablauf heranzuführen und denselben Stoff wie in der Schule zu vermitteln - die morgendliche Abholung am Elternhaus inklusive. Laut Triers Pressesprecher Ralf Frühauf wird die Stadt dann aktiv, wenn die jeweiligen Schulen die Fälle (mindestens zweiwöchiges unentschuldigtes Fehlen am Stück) an das Schulverwaltungsamt melden. Dann wird ein Bußgeldverfahren eingeleitet. "Im Normalfall werden wir parallel zum Bußgeldverfahren informiert, damit wir direkt Kontakt zu Eltern und Schülern aufnehmen können", sagt "RidZ"-Projektleiter Bernhard Laux. Nehmen die Schulverweigerer das Angebot an, wird das Bußgeldverfahren laut Laux erst einmal ausgesetzt. In vielen Fällen, wenn die Eltern das Bußgeld nicht zahlen können, müssen die Jugendlichen ersatzweise Sozialstunden ableisten. "Diese zeigen Wirkung", meint Pressesprecher Frühauf. Derzeit werden 16 Jugendliche von "RidZ" betreut, das mit den sieben Hauptschulen sowie der Förderschule Lernen kooperiert. Aber nicht nur ältere Jugendliche schwänzen kontinuierlich den Unterricht. "Bei Grundschulen sehen wir verstärkt Fälle, in denen die Kinder überhaupt nicht zur Schule angemeldet wurden", sagt Frühauf. Alle Beteiligten sind sich einig, dass das Problem in den Familien liegt: "Eltern sind oft überfordert. Oft haben sie zudem mit eigenen körperlichen oder psychischen Problemen zu kämpfen", sagt Jürgen Birster von AKM-S. Häufig sei auch nicht die "klassische Familie" betroffen, in vielen Fällen handelt es sich um Alleinerziehende oder Patchwork-Familien. Ein Migrationshintergrund spielt in Trier dagegen nur eine nebensächliche Rolle. Die Erfolgsquoten der beiden Projekte können sich sehen lassen: Bei AKM-S (durchschnittliche Betreuungsdauer drei bis sechs Monate) wurden von 96 Schülern 52 an der "alten" Schule reintegriert, 22 Jugendliche sind nach einem Schulwechsel wieder im Unterricht, neun wurden - allerdings eher wegen psychischer Probleme - in stationäre Einrichtungen eingewiesen. Bei "RidZ" mit einer durchschnittlichen Betreuung von vier Monaten pro Schüler ist die Quote ähnlich: Von 71 betreuten Schülern wurden 48 in das Schulsystem reintegriert, zwölf brachen ab, elf befinden sich aktuell in der Projektphase. Zahlen und Daten Schulverweigerer: Laut Mitteilung des städtischen Presseamtes gab es in Trier im laufenden Schuljahr 123 gemeldete Fälle von Schulverweigerung, dabei wurden 121 Bußgeldverfahren eingeleitet (71 Bußgeldbescheide wurden erlassen). Das ist in etwa die gleiche Zahl wie zum Vorjahres-Zeitpunkt (3. Mai. 2007: 130 Verfahren). Im Schuljahr 2006/2007 gab es 181 Fälle (154 Bußgeldbescheide). Nach Schultypen gliedern sich die Verfahren so auf: Gymnasien 2007/2008: 1 Fall (2006/2007: 0), Realschulen: 1 (2), Hauptschulen: 36 (87), Förderschulen: 2 (18), Grundschulen: 40 (14), Berufsschule: 41 (60). (BP)

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