"Bürger werden bewusst in die Irre geführt" - Streit um Marx-Millionen eskaliert - Trierer OB greift Landrat an

Trier · Triers Oberbürgermeister Klaus Jensen hat offensichtlich die Nase voll von der Kritik des Trier-Saarburger Landrats Günther Schartz an den Investitionen ins Karl-Marx-Jahr 2018. Jensen wirft seinem Kollegen vor, er führe Bürger bewusst in die Irre und füge dem Land, der Region und der Stadt Schaden zu.

Klaus Jensen ist kein Experte der harten Töne. Die Situationen, in denen Triers Verwaltungschef im Lauf seiner Amtszeit öffentlich lauter wurde, lassen sich an zwei Händen abzählen und standen im Zusammenhang mit kommunalpolitischen Scharmützeln wie der überraschenden Ablehnung des Haushalts im Stadtrat 2011.

Doch jetzt sieht Jensen offensichtlich rot und wendet sich gegen den zweiten in Trier sitzenden Verwaltungschef, Landrat Günther Schartz. Die Auseinandersetzung um die 5,6 Millionen, die Stadt und Land in die Karl-Marx-Ausstellung 2018 investieren wollen, eskaliert.

"Bei Ihrer Forderung, die Millionen besser für Polizeipersonal und Musikvereine auszugeben, unterschlagen Sie die erwarteten Einnahmen und wirtschaftlichen Effekte für die Stadt und die Region" - mit diesen Worten wendet sich der Sozialdemokrat Jensen in einem gestern versandten offenen Brief an den Christdemokraten Schartz. "Diese Effekte mussten Ihnen bekannt sein."

Triers Oberbürgermeister geht noch weiter: "Wie manche Reaktionen, beispielsweise in Leserbriefen, zeigen, wurden Bürger in dem Glauben, dieses Geld stünde bei einer Streichung der Ausstellung für andere Dinge zur Verfügung, bewusst in die Irre geführt." Jensen betont, er spreche auch als Vorsitzender der Initiative Region Trier. Als solcher müsse er feststellen, "dass mit Ihrer ungerechtfertigten Kritik nicht nur der Stadt Trier, sondern auch dem Kreis, der Region und dem Land Schaden zugefügt wird".

Triers Oberbürgermeister schickt dem Landrat eine unmissverständliche Aufforderung. "Ich erwarte daher, dass Sie anstelle dieser Kritik die parteiübergreifenden Anstrengungen unterstützen, 2018 das nationale und internationale Interesse auf Trier und die Region zu lenken."

Denn auch der Landkreis Trier-Saarburg habe schließlich Vorteile durch die Karl-Marx-Ausstellung. Jensen betont: "Ihre Verbandsbürgermeister und Touristiker bestätigen mir immer wieder, wie sehr auch das Trierer Umland von Großereignissen wie diesem in der Moselmetropole profitiert."

Jensens Kritik erreicht Günther Schartz während einer Landrätekonferenz am Tegernsee. Auf Anfrage des TV reagiert der Chef der Kreisverwaltung Trier-Saarburg spontan am Telefon. Es wird sofort deutlich, wie sehr Schartz sich ärgert. "Die Reaktionen auf meine Kritik sind unsouverän", sagt er. "Kurt Beck meint, er müsse sich fremdschämen. Staatssekretär Walter Schumacher spricht davon, ich würde mich immer weiter vergaloppieren. Und jetzt meint Herr Jensen, ich schade der Region und führe Menschen in die Irre." All das sei "absolut undemokratisch".

Der Landrat hält an seiner Kritik fest. "Ich täusche niemanden. Natürlich kann man die 5,6 Millionen Euro auch für andere Zwecke nutzen, wenn der politische Wille vorhanden ist."
Meinung

Karl Marx vor seinem Geburtshaus - als Plastik des Künstlers Ottmar Hörl . TV-Foto: Friedemann Vetter

Karl Marx vor seinem Geburtshaus - als Plastik des Künstlers Ottmar Hörl . TV-Foto: Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter

Unwürdiger Konflikt

Von Jörg Pistorius

Landrat Günther Schartz hält an seiner Grundsatzkritik fest: Nehmt die 5,6 Millionen Euro und gebt sie der unterbesetzten Polizei und den Ehrenamtsträgern der Vereinsszene. Schartz weiß genau, dass dieses Argument gut ankommt, denn eine stärkere Polizeipräsenz auf Raserstrecken und eine gute finanzielle Ausstattung der Vereine steht vielen Menschen näher als eine Ausstellung um Karl Marx. Günther Schartz verfolgt das Ziel, sein politisches Profil zu schärfen und als mutiger Kritiker aufzutreten, der auch unpopuläre Wahrheiten klar ausspricht. Das Amt des Landrats soll offenbar nicht die Endstation seiner politischen Karriere werden. Doch auch wenn es keinen Anlass gibt, Schartz diese Qualitäten abzusprechen, so ist er in diesem Fall doch ganz einfach zu spät dran. Um des Effektes willen kam seine Kritik zwei Tage nach der Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung. Da waren alle Messen schon gelesen. Jetzt bleibt ihm nur noch das schnelle Beenden dieses unwürdigen Streits, der ein wichtiges und aussichtsreiches Projekt unnötig herabsetzt.
j.pistorius@volksfreund.de

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