Bundesverwaltungsgericht kippt Rauswurf von Trierer NPD-Stadtrat Babic

Leipzig/Trier · Der Trierer Stadtrat hat den Rauswurf des NPD-Kreisvorsitzenden Safet Babic mit den falschen Argumenten begründet. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Mittwoch entschieden. Nicht das Ansehen des Rats, sondern der "Schutz seiner Funktionsfähigkeit" hätte dem Ausschluss zugrunde gelegt werden müssen.

Die alternative Szene Leipzigs ist am Dienstagabend im Kulturzentrum Moritzbastei versammelt. Götz Widmann steht auf der Bühne und sinniert, wie schön es doch wäre, sich durch die Mitgliedschaft in einem politischen Gremium bequem den Ruhestand zu finanzieren. "Wofür gibt es Parlamente? Für meine Rente!", gurgelt der Anarcho-Liedermacher mit rauer Stimme.

Was Widmann ironisch meint, führt der Trierer NPDler Safet Babic am Mittwochmorgen und nur wenige Fußwegminuten von der Moritzbastei entfernt mit vollem Ernst vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) an: Durch seinen Rausschmiss aus dem Trierer Stadtrat im September 2011 sei ihm etliches an Sitzungsgeld entgangen, deshalb will er Schadensersatzforderungen geltend machen.

Diesen Zahn zieht Klaus Rennert, Präsident des BVerwG, ihm sofort: "Das Sitzungsgeld ist eine Aufwandsentschädigung. Da Sie aber an Ratssitzungen gar nicht mehr teilgenommen haben, können Sie dieses Geld auch nicht einklagen."

Tatsächlich ist ein Stadtratsmandat ein Ehrenamt. Doch genau diese Ehre hat das Trierer Stadtparlament Babic aberkannt: Wegen schwerer Körperverletzung war der NPD-Kreisvorsitzende im Dezember 2010 zu einer siebenmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Und laut rheinland-pfälzischer Gemeindeordnung dürfen Stadträte, gegen die eine mindestens dreimonatige Haftstrafe verhängt wird und die so ihre "Unbescholtenheit" verwirkt haben, ausgeschlossen werden. Darauf berief sich der Rat und schloss Babic aus (der TV berichtete).

Gegen diesen Rauswurf hat sich Babic bereits durch zwei Instanzen geklagt. Sowohl das Trierer Verwaltungsgericht als auch das Koblenzer Oberverwaltungsgericht wiesen ihn ab. Am Mittwoch beschäftigte sich nun das Leipziger BVerwG mit der Frage, ob ein Bundesland eine Verordnung erlassen darf, die das im Grundgesetz verankerte Wahlrecht zumindest teilweise außer Kraft setzt. "Ein gewähltes Ratsmitglied soll sein Mandat verlieren, alle anderen dürfen es behalten. Das ist nur möglich, wenn ein Grund vorliegt, der mindestens so wichtig ist wie das Grundrecht der Gleichheit der Wahl", erläutert Richter Rennert die Auffassung der zehnten Revisionskammer des BVerwG.

Straffällig geworden

Als solcher gewichtiger Grund denkbar sei, dass der Stadtrat seine Funktionsfähigkeit erhalten will: "Wenn ein Ratsmitglied beispielsweise die Arbeit des Rats stört, etwa durch Zwischenrufe oder potenziell auch durch verbale Drohungen, dann kann der OB dieses Ratsmitglied von der Sitzung ausschließen, damit der Rat vernünftig weiterarbeiten kann."

Denke man dieses Beispiel weiter, könne es auch zulässig sein, ein Ratsmitglied für den Rest der Legislaturperiode auszuschließen. "Etwa, weil jemand aus Angst vor Gewalt sich nicht mehr traut, seine Meinung zu äußern", nimmt Rennert Bezug auf Babics Straffälligkeit.

Zusammen mit anderen Rechten hatte er in Trier im Mai 2009 einer Gruppe Linker nachgestellt, die Wahlplakate der NPD abgerissen hatten. Gemeinsam schlugen die NPDler daraufhin einen der Linken zusammen.

Der Trierer Stadtrat hatte Babic allerdings nicht ausgeschlossen, weil er dessen weitere Anwesenheit als Bedrohung empfunden hätte. "Nein, so haben wir nicht argumentiert", muss Franz Josef Conermann, Leiter des städtischen Rechtsamts, vor Gericht einräumen. Stattdessen hatte der Rat den Rauswurf damit begründet, dass das Ansehen des Rats in der Öffentlichkeit durch die Mitgliedschaft eines Straftäters Schaden nehmen könne. "Das ist allerdings kein Grund, der schwerer wiegt als das Wahlgrundrecht der Gleichheit", sagt Rennert.

Grundsätzlich sei der Rauswurf-Paragraf der Gemeindeordnung "verfassungskonform", betont das Gericht. Den Ausschluss Babics hätte der Stadtrat allerdings mit einem gewichtigeren Argument begründen müssen.

Direkte Konsequenzen für den Stadtrat hat das Urteil (Az.: 10 C 11.14) nicht. Die Legislaturperiode, in der Babic ausgeschlossen wurde, ist seit 2014 vorbei. Bei der Kommunalwahl 2014 erhielt die NPD zu wenig Stimmen, als dass es erneut für einen Sitz im Rat gereicht hätte. Der 33-jährige Babic kündigt dennoch weitere Schritte an: "Ich bin überzeugt, dass sämtliche Beschlüsse, die der Stadtrat ohne mich gefasst hat, nun wiederholt werden müssen."Meinung

Keine Blamage für die Stadt

Von Christiane Wolff

Bis zum Fall Babic war Paragraf 31 der Gemeindeordnung noch nie zum Zug gekommen. Zwar gab es landesweit auch vorher schon straffällige Kommunalpolitiker. Diese gaben ihre Mandate allerdings freiwillig auf. Einen Rauswurf gab es bis dato nicht.

Deshalb ist bislang auch niemandem aufgefallen, auf welch wackeligen Beinen der Rauswurf-Paragraf steht und wie sorgfältig er begründet werden muss. Die Stadt, der Stadtrat, das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht waren die Ersten, die sich mit dem Paragrafen näher beschäftigen mussten. Sie konnten sich auf keine Auslegung eines Gerichts, keine rechtliche Begründung eines ähnlichen Falls, berufen.

Dass das Bundesverwaltungsgericht die Argumente zurückgewiesen hat, ist daher keine Blamage. Verfassungswidrig ist der Rauswurf-Paragraf auch nicht - nur eben falsch begründet. Dass Babic sich in Leipzig zumindest teilweise durchgesetzt hat, widerlegt seine Verschwörungstheorie vom linken Staat, von dem ein Rechter wie er angeblich kein Recht zu erwarten habe. Der Rechtsstaat muss jemanden wie Babic ertragen. Der Trierer Stadtrat muss es nicht mehr.

c.wolff@volksfreund.de

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