Verkehr Busfahrkarte wird nicht (mehr) bezahlt: Streit um einen Schulweg in Trier-Ruwer/Eitelsbach

Trier · Immer wieder streiten Eltern von Schulkindern mit der Stadt Trier um die Kosten für die Busfahrkarte, weil der Fußweg ihrer Meinung nach zu weit oder zu riskant ist.

 Früher gefährlich, heute nach Ansicht der Stadt Trier nicht mehr: die Straße Im Schwarzfeld in Ruwer/Eitelsbach. TV-Foto: Friedemann Vetter

Früher gefährlich, heute nach Ansicht der Stadt Trier nicht mehr: die Straße Im Schwarzfeld in Ruwer/Eitelsbach. TV-Foto: Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)

Der Brief der Stadt Trier ist klar und deutlich. "Für das ablaufende Schuljahr erhielten Sie zulasten der Stadt Trier eine Schülerfahrkarte", steht darin. "Für die Zeit ab dem kommenden Schuljahr wird diese Entscheidung zurückgenommen. Das bedeutet, dass ab diesem Zeitpunkt keine Schülerfahrkarte mehr zulasten der Stadt Trier zur Verfügung gestellt wird." Das Wort "keine" ist unterstrichen.

Stefan Kiefer aus Ruwer/Eitelsbach, Empfänger des Schreibens, reibt sich verwundert die Augen. Seine Tochter hatte bisher die Schülerfahrkarte der Stadt bekommen, um vom Elternhaus in der Eitelsbacher Straße zur Grundschule Ruwer mit dem Bus fahren zu können. "Kurz vor Ferienbeginn kam dann dieses Schreiben", erzählt Kiefer dem TV. "Dabei hat sich an dem Schulweg nichts geändert."

Der Weg zur Grundschule Ruwer über die Straße Auf Schwarzfeld (siehe Grafik), der etwa 1,5 Kilometer lang ist, galt bisher als besonders gefährlich. Deshalb hat die Stadt die Fahrkarte bezahlt. "Der Gehweg in dieser Straße ist oft zugeparkt, so dass man nicht mehr durchkommt", sagt Kiefer. "Die Kinder müssen oft auf die Straße ausweichen."
Die Straße ist weder saniert noch erweitert worden. Dennoch hat die Stadt ihre Ansicht geändert und hält den Fußweg nicht mehr für besonders gefährlich.

Nicht nur Familie Kiefer ist von dieser Entscheidung betroffen. "Viele Familien haben sich beschwert, denn bisher haben alle Eitelsbacher Kinder eine Fahrkarte von der Stadt bekommen." Stefan Kiefer spricht von zehn Fällen. Die Eltern legten Widerspruch ein, der Fall liegt zurzeit beim Stadtrechtsausschuss.

Die Leiterin des städtischen Schulamts, Helga Schneider-Gräfer, und Stadt-Sprecher Ralf Frühauf stellen sich den Fragen des TV. Der Fall der Familie Kiefer ist schnell aufgeklärt. "Wir haben einen Fehler gemacht", sagt Frühauf. Ein früherer Sachbearbeiter des Schulamts habe den Schulweg der Eitelsbacher Kinder geprüft und als besonders gefährlich eingestuft. Die Stadt übernahm die Fahrtkosten. Doch als der Vater eines Grundschülers für das kommende Schuljahr 2017/2018 eine Schülerkarte neu beantragte, prüfte auch ein neuer Sachbearbeiter den Weg - und kam zu einem völlig anderen Schluss. Der Weg sei nicht gefährlich. "Deshalb haben wir die Übernahme der Kosten gestrichen", erklärt Frühauf. Und zwar für alle Familien in der Eitelsbacher Straße. "Die Betroffenen müssen die bisher erhaltenen Fahrtkarten zwar nicht rückwirkend bezahlen, erhalten aber ab sofort keine weiteren mehr."

Ist die Stadt denn nicht an die bisher geltende Entscheidung gebunden? "Nein", betont Frühauf. "Man hat in einem solchen Fall kein Recht im Unrecht. Die frühere Einschätzung des ehemaligen Sachbearbeiters war ein Fehler, den wir jetzt korrigieren."

Wann ist ein Schulweg gefährlich, wann nicht? Wer entscheidet das anhand welcher Kriterien? "Ein gefährlicher Schulweg ist kein klar definierter Rechtsbegriff", sagt Helga Schneider-Gräfer. "Es ist wesentlich einfacher, die Entfernung zu messen." Hier sind die Regeln klar: Wenn Grundschüler vom Elternhaus bis zum Schulgelände mehr als zwei Kilometer unterwegs sind und Schüler weiterführender Schulen mehr als vier Kilometer laufen müssen, zahlt die Stadt das Busticket.

Doch Gefahr ist eine viel schwierigere Geschichte. Die Leiterin des Schulamts erklärt: "Wenn wir einen Antrag auf Fahrtkostenübernahme wegen eines gefährlichen Schulwegs erhalten, prüfen wir die Lage vor Ort und schauen auch in die Kriminalitäts- und Unfallstatistiken der Polizei." Vorliegende Gerichtsurteile seien Leitlinien für die Verwaltung, die dabei helfen, Gefahr konkret zu definieren. Mehrere Oberverwaltungsgerichte haben bereits entschieden: Die konkreten Umstände müssen die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls - im Amtsjargon Schadenseintritt - "über die üblichen Risiken hinaus, denen Schüler insbesondere im Straßenverkehr ausgesetzt sind", als überdurchschnittlich hoch erscheinen lassen. Das normale Überqueren von Straßen, auch ohne Fußgängerampel oder Zebrastreifen, ist juristisch kein besonders gefährlicher Umstand.

Die Rechtsprechung liefert aber auch Beispiele für erfolgreiche Klagen. Straßen komplett ohne Gehweg und Beleuchtung sind bereits als besonders gefährlich anerkannt worden. Auch Straßen mit Abzweigungen, die durch hohes Gebüsch oder Leitplanken unterbrochen werden und unübersichtlich sind, tauchen in einigen Urteilen auf.

Es gibt keine Statistik der gefährlichen Schulwege in Trier. Eltern, deren Antrag auf Übernahme dieser Kosten nicht genehmigt wird, können eine erneute Prüfung beantragen und, wenn das nichts nützt, den Stadtrechtsausschuss einschalten. Zehn bis 20 Widersprüche aus dem Bereich der Fahrtkostenübernahmen gehen pro Jahr beim Stadtrechtsausschuss ein. Das teilt Stadtsprecher Michael Schmitz mit. „Aus den vergangenen zehn Jahren ist kein Fall bekannt, in dem ein Widerspruch der Eltern beim Stadtrechtsausschuss Erfolg hatte.“ Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, es gebe pro Jahr 100 solcher Widerspruchsfälle. Das beruhte auf einem Übermittlungsfehler und war falsch, wir haben diese Passage deshalb korrigiert.

Der Ausschuss kann die Entscheidung der Stadt widerrufen. Dort liegt zurzeit auch der Widerspruch der Familie Kiefer und ihrer Nachbarn aus Eitelsbach.

Extra: DATEN, FAKTEN UND KOSTEN

Verkehr: Busfahrkarte wird nicht (mehr) bezahlt: Streit um einen Schulweg in Trier-Ruwer/Eitelsbach
Foto: TMVG

6000 Schülertickets hat die Stadt aktuell herausgegeben, jedes kostet 612 Euro pro Jahr. "Da das Schulortprinzip gilt und nicht das Wohnortprinzip, zahlen wir auch die Fahrten von Schülern, die außerhalb des Stadtgebiets wohnen, aber hier zur Schule gehen", sagt Stadt-Sprecher Ralf Frühauf. So erhält auch der Lehrling aus Bitburg, der eine Berufsschule in Trier besucht, seine Fahrkarte von der Stadtverwaltung. 5,5 Millionen Euro investiert die Stadt Trier pro Jahr in die Busfahrten von Schülern. "Wir kämpfen für das Wohnortprinzip, bisher aber ohne Erfolg", sagt Frühauf. "Die Landkreise lehnen dieses Prinzip ab, da sie sonst die Beförderungskosten tragen müssten."

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