„Da gibt es kein Herumeiern“: Trierer Oberbürgermeister Wolfram Leibe spricht über den möglichen Abwahlantrag gegen Kulturdezernent Thomas Egger

Trier. · Kein Kommentar: Kulturdezernent Thomas Egger (SPD) äußert sich nicht zum Abwahlantrag, den seine eigene Partei gegen ihn stellen lassen will. Aber Oberbürgermeister Wolfram Leibe (ebenfalls SPD) spricht im TV-Interview offen über die schwere Krise in der Rathaus-Chefetage und ihre möglichen Folgen.

 Wolfram Leibe (SPD) ist seit dem 1. April 2015 Oberbürgermeister der Stadt Trier. TV-Foto: Friedemann Vetter

Wolfram Leibe (SPD) ist seit dem 1. April 2015 Oberbürgermeister der Stadt Trier. TV-Foto: Friedemann Vetter


Oberbürgermeister Wolfram Leibe hätte nur ein Standardargument auspacken müssen, um aktuell Gespräche mit der Presse zu vermeiden: "Ich äußere mich erst zum Abwahlantrag gegen Thomas Egger, wenn er tatsächlich eine Mehrheit im Stadtrat gefunden hat und gestellt worden ist." Noch ist nichts davon geschehen. Doch der Trierer Verwaltungschef verzichtet auf diese Form der Abwehr und stellt sich dem Gespräch mit TV-Redakteur Jörg Pistorius.

Thomas Egger steht als Dezernent schon seit Jahren in der Kritik, aber jetzt soll er tatsächlich abgewählt werden. Haben Sie diese Eskalation kommen sehen?
Wolfram Leibe: Nein. Dafür bin ich vielleicht noch zu neu im politischen Geschäft.

Nicht die CDU hat den Abwahlantrag initiiert, sondern die SPD, der Sie auch angehören. Wo stehen Sie in dieser Situation?
Leibe: Ich kann bestätigen, dass die SPD-Fraktion sehr eng mit Thomas Egger zusammengearbeitet hat und immer wieder versucht hat, ihn zu beraten und ihm Feedback zu geben. Ich habe die Fraktion als sehr konstruktiv und fair erlebt.

Tragen Sie die Vorwürfe der Fraktion mit?
Leibe: Dazu werde ich mich nicht äußern, das habe ich nicht zu bewerten.

Feedback hat Herr Egger sicher auch von Ihnen bekommen. Wie sehr und wie oft haben Sie versucht, auf den umstrittenen Dezernenten einzuwirken und ihm zu helfen, eine solche Eskalation zu vermeiden?
Leibe: Thomas Egger und ich haben jede Woche mindestens zweimal Rücksprachen, in denen wir die aktuelle Situation beleuchten. Auch in der Klausurtagung des Stadtvorstands bringe ich meine Kompetenz als Finanzdezernent in die Arbeit der Dezernenten ein.

Meine Frage bezog sich nicht auf die Zusammenarbeit im Stadtvorstand, sondern auf den direkten Umgang zwischen Herrn Egger und Ihnen. Haben Sie konkret versucht, ihm die richtige Richtung zu zeigen und ihn zu warnen, dass ihm möglicherweise Gefahr droht?
Leibe: Der Oberbürgermeister ist auch ein Kollege. Neben den fachlichen Diskussionen gab und gibt es natürlich kollegiale Ratschläge. All diese Diskussionen habe ich geführt.

Thomas Egger ist als Dezernent vom Stadtrat gewählt worden und arbeitet laut Gemeindeordnung unabhängig und voll verantwortlich in seinem Geschäftsbereich. Er ist deshalb kein Untergebener des Oberbürgermeisters. Hat das die Situation schwerer gemacht?
Leibe: Es stimmt, der OB ist hier nicht der Chef. Aber ich möchte mich nicht auf diese Position zurückziehen.

Das wäre auch schwierig. Gerade in der Theaterkrise haben Sie in der Tat mehrmals deutlich in den Verantwortungsbereich des Kulturdezernenten eingegriffen.
Leibe. Ja, dazu stehe ich auch. Ich habe beim Thema Neubau sofort zu Beginn meiner Amtszeit gesagt, das geht so nicht. Ich habe gesagt, dass der Vertrag unseres Generalmusikdirektors Viktor Puhl verlängert werde sollte. Ich habe Überzeugungsarbeit geleistet, dass wir am Theater wieder einen Verwaltungsdirektor brauchen.

Das waren doch klar regelnde Eingriffe des Chefs.
Leibe: Nein, das ist nicht richtig. Es ging in diesen Fällen nicht um Einmischung. Es ging darum, dass ich meine Rolle als Personal- und Finanzdezernent hier anwende. Ich habe nicht als Ober-Kulturdezernent agiert, sondern meine Position in diesem Stadtvorstand eingebracht, so wie es die Gemeindeordnung vorsieht.

Die Diskussion um einen Abwahlantrag platzt mitten in die laufenden Haushaltsdebatten. Im Dezember soll der Stadtrat den Doppelhaushalt 2017 und 2018 beschließen. Machen Sie sich Sorgen, dass die Arbeit am Haushalt beeinflusst wird?
Leibe: Nein. Ich habe als Finanzdezernent im zentralen Haushaltsbereich ein Top-Team. Natürlich hat man sich früher als OB und Finanzdezernent ein halbes Jahr auf das Thema Haushalt konzentriert. Ich habe das mit meinem Team zusätzlich zu meinen sonstigen Belastungen gemacht.

Bitte erläutern Sie diese Belastungen.
Leibe: Ich bin Oberbürgermeister und repräsentiere die Stadt. Ich bin Lobbyist und deshalb in Berlin und Mainz für Trier unterwegs. Ich habe 50 Aufsichtsratsmandate. Weil man in dieser Stadt den Hauptamtsleiter abgeschafft hat, bin ich auch noch Verwaltungschef, und zwar nicht abstrakt, sondern ganz konkret. Ich bin Finanzdezernent und habe zur Entlastung von Thomas Egger auch noch das Wirtschaftsdezernat übernommen.

Und Sie sind Krisenmanager am Theater.
Leibe: Seit die SPD am Mittwoch verkündet hat, dass sie einen Abwahlantrag gegen den Kulturdezernenten einbringen will, hat sich die Situation weiter verschärft. Ich hatte seitdem stundenlang Gespräche mit Mitarbeitern des Theaters. Die Forderung wird immer lauter, dass der OB auch diesen Bereich jetzt machen soll.

Wird der OB jetzt auch Kulturdezernent?
Leibe: So weit sind wir noch nicht. Zunächst einmal ist ein Abwahlantrag lediglich angekündigt. Das ist eine schwierige Übergangszeit.

Wird Thomas Egger in dieser Übergangszeit weiterhin als Kulturdezernent voll gefordert oder gibt es eine Entlastung bis zur Entscheidung über einen möglichen Abwahlantrag?
Leibe: Selbstverständlich habe ich ausführlich mit Herrn Egger über seine Situation gesprochen. Wir haben am Wochenende wieder Klausurtagung, an der er auch teilnehmen wird, und müssen uns als Stadtvorstand zuerst einmal orientieren. Thomas Egger hat mir angeboten, seine Tätigkeit fortzuführen. Er wird nur bestimmte Termine nicht übernehmen.

Sollte der Abwahlantrag zustande kommen und im Stadtrat die notwendige Zweidrittelmehrheit finden, müssen Sie als OB die Dezernate neu ordnen. Und zwar ruckartig und sofort, denn ein Dezernent fällt weg. Sind Sie darauf vorbereitet?
Leibe: Ja. Es ist in meiner bisherigen Amtszeit deutlich geworden, dass ich nicht nur einen Plan A, sondern auch einen Plan B oder C habe. Das ist existenziell. Ich muss dem Vertrauen der Wähler auch in einer schwierigen Phase wie dieser gerecht werden. Da gibt es kein Herumeiern. Sollte es so kommen, werde ich vorbereitet sein.

Welche Pläne haben Sie bereits in der Schublade?
Leibe: Darüber werde ich jetzt noch nicht sprechen.

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