Dandyhafte Anzug-Faschisten

Im Exhaus gab der Soziologe Lutz Neitzert einen Überblick über das Spektrum der rechtsextremen Inhalte im Internet. Die Inhalte werden mehr, sie kommen professioneller daher - und sind nicht immer auf den ersten Blick als das zu erkennen, was sie sind.

Trier. Vor kurzem dokumentierte eine Arbeitsgruppe der Bundesländer 1635 rechtsextreme Websites und mehr als 750 rechtsextreme Videos und Profile im deutschsprachigen Internet. "Die Rechten haben die Möglichkeiten des World Wide Web bereits deutlich früher erkannt als die Linken", erklärt Lutz Neitzert im Balkensaal des Exhauses. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Vielfalt tut gut" gibt der Soziologe in einem dreistündigen Seminar einen Überblick über die "digitalen Parallelwelten" der Rechtsextremen . Obwohl das Internet als weltumspannendes, kaum zu zensierendes Datennetz gerade von amerikanischen Informatikern entwickelt worden sei, die den Hippies und Alternativbewegungen nahe gestanden hätten, habe bei deutschen Linken lange eine Technikfeindlichkeit vorgeherrscht, während Neonazis und Rechtsextreme schon früh mit dem Mailboxsystem "ThuleNet" Nachrichten untereinander ausgetauscht hätten.

Heute betreiben etwa rechtsextreme Parteien wie die NPD eine Vielzahl von professionell gepflegten Seiten, die mit Gästebüchern und Foren auch alle Möglichkeiten der Kommunikation der Benutzer untereinander bieten.

Dabei wird auf den in Deutschland registrierten Seiten rechtsextremes Gedankengut meist nur so weit verbreitet, wie es die Gesetzgebung gerade noch erlaubt. Seiten mit heftigeren Inhalten, wie die des Holocaust-Leugners Ernst Zündel, werden dagegen im Ausland "gehostet", also betrieben. Erstens weil dort vieles legal ist, was in Deutschland bereits strafrechtlich verfolgt würde; außerdem lassen sich Webseiten hierzulande nur schwer anonym betreiben.

Dabei warnt Neitzert davor, menschenverachtende Inhalte immer nur dort zu vermuten, wo Hakenkreuze und Hitlerbildchen prangen: Ein neurechtes Internetlexikon nutzt etwa die gleiche Technik wie die gern genutzte "Wikipedia" und ist von dieser oberflächlich kaum zu unterscheiden. Die eingespeisten Artikel triefen jedoch von völkischer und revisionistischer Propaganda. "Stellen Sie sich vor, ein Schüler stößt etwa bei der Recherche für die Schule auf diese Seite", gibt Neitzert zu Bedenken.

Schiere Masse an rechten Einspeisungen



Auf Medienplattformen wie "You Tube" finden sich hunderte Videos und Lieder faschistoider Gruppierungen und Musiker. Das Bestreben der Betreiber, gegen diese Umtriebe vorzugehen, bleibt aufgrund der schieren Masse an Einspeisungen weitgehend erfolglos. Neue rechtsextreme Seiten versuchen auch, potenzielle Interessenten mit intellektuellem Anspruch nicht sofort abzuschrecken, indem sie das Klischeebild des randalierenden, betrunkenen Stiefelnazis auf jeden Fall vermeiden.

Nachdem Musiker wie Rammstein oder Joachim Witt Wagner'sche Blut- und Boden-Romantik und die Ästhetik der Riefenstahl für den Mainstream enttabuisiert haben, treten jetzt echte Nazi als dandyhafte Anzug-Faschisten auf den Plan und verbreiten konkret die entsprechenden Inhalte, etwa wortgewaltige Pamphlete gegen die "verweichlichte" Demokratie.

Weiterführende Informationen gibt es zum Beispiel unter www.jugendschutz.net.

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