"Dann wurde es finster ums Haus"

EHRANG-QUINT. Rund sechs Jahre lang "zierte" die Brandruine der ehemaligen "Blumenfabrik" die Ehranger Friedhofstraße. Ein hässlicher und gefährlicher Schandfleck. Zu trauriger Berühmtheit gelangte dadurch das Ehepaar Ingeborg und Walter Grünen, dessen Haus unmittelbaroberhalb im Hang liegt.

Den 11. März 1997 werden die Grünens so wenig vergessen wie andere den 11. September 2001: Kurz nach 17 Uhr an jenem Märztag stand plötzlich unterhalb ihres Hauses Friedhofstraße 90 die Kunstblumenfabrik Hille & Co in Flammen. Mit einem Mal schien ihr Anwesen auf einem riesigen Scheiterhaufen zu stehen. Die Erinnerung daran treibt ihnen heute noch den Schrecken in die Glieder. Walter Grünen: "Ich war gerade im Wald beschäftigt, als ich in der Ferne hohe Flammen sah. Ich dachte, das wäre unser Haus und bin losgerast." Näher am Geschehen befand zu diesem Zeitpunkt Ehefrau Ingeborg. Sie erinnert sich: "Unser damaliger Untermieter, ein Student, kam heraufgelaufen und berichtete von starkem Rauch. Kurz danach schlugen schon die ersten Flammen aus dem Dach der Fabrik." Sie alarmierte die Feuerwehr, die in kürzester Zeit vier Löschzüge mit rund 120 Wehrleuten am Brandort konzentrierte. Doch trotz der geballten Einsatzkraft sollte es ein langer und mühsamer Kampf mit dem "roten Hahn" werden.Nasse Decken gegen die Flammen

Grünen zeigt Fotos, die ein Verwandter von oben herunter auf die brennende Fabrik geschossen hatte. Zu sehen ist nicht viel - nur riesige Flammen und dichter schwarzer Qualm von dem rund 40 Meter langen Bitumendach der Fabrik. "Es war ein sonniger Tag, doch plötzlich war hier alles finster. Und drinnen im Haus kämpften wir mit nassen Decken vor den Fenstern gegen die Flammen", sagt Grünen. Erleichterung zunächst am nächsten Tag: Das Wohnhaus über der total ausgebrannten Fabrik hatte zwar erhebliche Schäden erlitten, war aber insgesamt noch heil und bewohnbar geblieben. Doch wirklich Ruhe sollte nach dem 11. März 1997 über dem Anwesen nicht mehr einkehren. Während die nun oben offene Ruine sich über die Monate mehr und mehr mit Wasser vollsog, leitete die Staatsanwaltschaft auf Antrag der Versicherungen ein Ermittlungsverfahren ein. Der letzte Betreiber der Blumenfabrik, ein Kaufmann aus Freiburg, wurde der gefährlichen Brandstiftung und des Versicherungsbetrugs verdächtigt. Während der Ermittlungen blieb die Ruine als "Beweismittel" unberührt stehen. Allerdings entströmte ihr inzwischen ein durchdringender Chemiegestank, der von dort noch herumliegenden Behältern mit Nitro-Verdünner stammte. Ende 1998 schlugen die Grünens wieder Alarm: Der Gestank war unerträglich geworden. "Sogar unser Essen scheint schon nach Nitro zu schmecken", sagten sie am 28. Dezember 1998 zum TV . Der TV -Bericht am folgenden Tag hatte Wirkung: Unmittelbar danach rückten die Experten der Verwaltung und mit Atemschutz ausgerüstete Feuerwehrleute der Chemie zuleibe. Nachdem der Chemiemüll abgeräumt war, folgte der nächste Akt im Drama: Vor dem Landgericht Trier begann im Januar 1999 der Strafprozess gegen den Ex-Betreiber L. aus Freiburg. Auch die Grünens wurden als Zeugen befragt. Und Walter Grünen verfolgte die weiteren Sitzungen aus dem Zuschauerraum. Für den Angeklagten L. endete der Prozess mit einer vierjährigen Freiheitsstrafe. Im vorläufig letzten Akt kaufte die Stadt Trier das Fabrikgelände und ließ die Ruine abreißen. Die Fläche ist für die Trasse der geplanten B-422-Ortsumgehung geplant. Eine Vorstellung, über die Grünens nur lachen können. Als dann Ende 2002 der Abriss begann, fühlte sich das Ehepaar erleichtert. Doch auch diese Erleichterung sollte sich als Trugschluss erweisen: Der unterhalb des Hauses freigelegte Hang aus Lehm und rotem Sandstein ist nun der Witterung ausgesetzt. Der Fels bröckelt, die Basis des Hauses Grünen gibt nach. Misstrauisch misst der Hausherr wöchentlich die sich erweiternden Risse im Mauerwerk. Die ersten Schreiben an die Stadt mit der Bitte, Stützwände in den Hang zu ziehen, sind geschrieben. Walter Grünen: "Wenn nichts geschieht, wird eines Tages das Haus und seine Hangterrassen dahin gehen - das Lebenswerk meines Schwiegervaters wäre vernichtet." War es an der Friedhofstraße nur eine Pause vor dem nächsten Akt?

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