Das Gift sitzt in den weichen Fugen

Von 1991 bis 2001 hat die Stadtverwaltung Trier "verdächtige" Schulgebäude vorsorglich auf den Luftschadstoff PCB untersuchen lassen. Das Bistum führt diese Überprüfungen an seinen Schulen dagegen nur durch, wenn ohnehin Renovierungsarbeiten anstehen. So wie derzeit im Angela-Merici-Gymnasium (AMG), in dessen Raumluft letzte Woche die Chlorverbindung entdeckt wurde.

 Bei den Sanierungsarbeiten im Angela-Merici-Gymnasium in der Neustraße wurde giftiges PCB in der Raumluft aufgespürt. TV-Foto: Christiane Wolff

Bei den Sanierungsarbeiten im Angela-Merici-Gymnasium in der Neustraße wurde giftiges PCB in der Raumluft aufgespürt. TV-Foto: Christiane Wolff

Trier. Dehnungsfugen geben Gebäuden die nötige Stabilität, wenn das Gemäuer sich je nach Jahreszeit und Temperatur um Millimeter ausdehnt oder zusammenzieht. Um den Fugenkitt geschmeidig zu halten, wurden ihm bis in die 1980er-Jahre polychlorierte Biphenyle (PCB) beigemischt. Dass der "Weichmacher" krebserregend ist, war da noch unbekannt.

Um Gefährdungen auszuschließen, hat die Trierer Stadtverwaltung zwischen 1991 und 2001 ihre in den 60er- und 70er-Jahren gebauten Schulen untersucht. "Bei den meisten Schulen wurde gar kein PCB festgestellt, bei anderen lagen die Mengen unter den gesetzlichen Grenzwerten", erklärt Ralf Frühauf, Pressesprecher der Stadt.

Luftproben wurden allerdings nur in städtischen Schulen genommen. Kirchliche Schulen wurden nicht überprüft. "Es gibt keine präventiven Untersuchungen auf PCB an Bistumsschulen", bestätigt Bistums-Sprecher Stephan Kronenburg, für Proben auf Verdacht seien die Schulen "zu unterschiedlich in Bauzeit und Bauweise". Die PCB-Belastung des bischöflichen Angela-Merici-Gymnasium wurde daher erst bei den aktuellen Sanierungsarbeiten entdeckt (TV von Montag).

Ein Trierer Institut hatte die Luftproben Ende August genommen und an ein Sachverständigenbüro weitergeleitet. Das Ergebnis lag der Schulleitung am Montag voriger Woche vor: Mehrere Schulräume sind PCB-belastet, im Mittel liegt die Menge der Chlorverbindung bei rund 600 Nanogramm (0,000000600 Gramm) pro Kubikmeter Luft. Nach der PCB-Richtlinie des Bundesgesundheitsministeriums besteht bis 300 Nanogramm "kein Handlungsbedarf", zwischen 300 und 3000 Nanogramm muss die "Quelle der Raumluftverunreinigung aufgespürt und unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit mittelfristig beseitigt" werden, bei einer PCB-Konzentration von mehr als 3000 Nanogramm werden "Sofortmaßnahmen" eingeleitet. Bei der Realschule Hermeskeil waren im Frühjahr 2008 in 15 Räumen Werte von bis zu 10 000 Nanogramm gemessen worden - die Schule wurde geschlossen und komplett saniert.

Beim AMG wird derzeit das Dach mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet, der naturwissenschaftliche Trakt wechselt vom ersten in den zweiten Stock. Der PCB-belastete Kitt aus den Dehnungsfugen soll in den Sommerferien 2010 entfernt und erneuert werden. "Bei der geringen Belastung ist eine schnellere Sanierung nicht notwendig, außerdem sind die Arbeiten sehr aufwendig", erklärt Schulleiter Mario Zeck. Bis zu den nächsten großen Ferien soll in den belasteten Räumen verstärkt gelüftet werden. Polychlorierte Biphenyle (PCB) sind krebsauslösende chemische Chlorverbindungen, die bis in die 1980er Jahre, technischen Geräten sowie als Weichmacher in Lacken, Dichtungsmassen, Isoliermitteln und Kunststoffen verwendet wurden. PCB sind seit Mai 2001 weltweit verboten. Vorsorglich auf PCB untersucht und als unbedenklich eingestuft wurden in Trier die städtischen Schulen Cusanus-Hauptschule, Ludwig-Simon-Realschule, Keune-Grundschule, Schulzentrum Mäusheckerweg, Berufsschule für Ernährung und Hauswirtschaft, Montessori-Schule, Grundschule Reichertsberg, Sporthalle Wolfsberg, Medard-Sonderschule, Grundschule Quint, Treverer-Schule. (woc)

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