Das Harmonie-Trio vom Augustinerhof

Bislang waren die "Bündnisgespräche" um eine Ampel-Koalition im Trierer Stadtrat so geheim wie eine Papstwahl in der Sixtinischen Kapelle. Für den TV lüfteten die Verhandlungsführer nun erstmals den Vorhang und gaben den Blick hinter die Kulissen frei.

Trier. Es dürfte fast eine Hundertschaft Parteivertreter sein, die derzeit in zehn rot-gelb-grünen Arbeitskreisen an den Leitlinien für die künftige Politik in Trier strickt. "Erstaunlich viele Gemeinsamkeiten" habe man in den einzelnen Themenbereichen entdeckt, versichern Anja Matatko (28), Thomas Egger (38) und Sven Teuber (28). Die drei Architekten der Trierer Ampel-Schaltung strotzen vor Selbstbewusstsein. Und egal, wo man nachbohrt: Über die Bündnis-Verhandlungen ist überall nur Nettes zu hören.

"Wir sind aufeinander zugegangen, gerade in schwierigen Punkten", sagt die Grüne Anja Matatko. Öffentlich ins Detail will man erst in den Herbstferien gehen, wenn die Vereinbarung steht. Aber man kann sich ausrechnen, wie kompliziert es ist, in kontroversen Fragen wie dem Handwerkerpark Kompromisse zu finden.

Dennoch "überwiegen die gemeinsamen Ziele", betont FDP-Chef Egger. Man tue sich zusammen, um "nach 60 Jahren CDU einen neuen Stil und neue inhaltliche Schwerpunkte zu etablieren". Vor allem in Sachen Mobilität und Verkehr soll es ein Umdenken geben.

Auch das Verhältnis zwischen Rat und Verwaltung soll sich ändern. "Weniger Gutsherrenart" erwartet Sven Teuber, und eine "klarere Konzentration der Kräfte in der Verwaltung".

Eine Schlüsselrolle kommt dabei den beiden neuen Dezernenten im Stadtvorstand zu. Es gebe "keine personellen Vorentscheidungen", versichern die Koalitionäre. Aber klar sei, dass die künftigen Beigeordneten zum neuen Kurs passen müssen. Damit ist auch die FDP offenkundig auf die Linie von SPD und Grünen eingeschwenkt, nicht nur Schul- und Kulturdezernent Holkenbrink, sondern auch Sozialdezernent Bernarding den Stuhl vor die Tür zu setzen.

Auch der Zeitplan spricht Bände: Bis Mitte Oktober soll der Bündnisvertrag stehen, Ende Oktober dann das neue Stadtvorstands-Duo gewählt werden. Fraglos ein Vorteil für interne Bewerber wie die hoch gehandelten Thomas Egger und Reiner Marz.

Über Personalien will man aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht öffentlich reden. Es bleibt bei der Sprachregelung, man wolle die Ergebnisse der Ausschreibung abwarten und dann nach der Qualifikation der Kandidaten entscheiden.

Über Geld muss noch geredet werden



Worüber die Bündnis-Architekten freilich reden müssen, ist das Thema Geld. Man hat eigens einen "Finanz-Ausschuss" eingesetzt, der die Wunschlisten aus den Arbeitskreisen wie Soziales, Verkehr, Kultur oder Schulen auf ihre Finanzierbarkeit abklopfen und mit Prioritäten versehen soll.

Dass auf die neue Mehrheit unfreiwillig die Rolle des Sparkommissars zukommen könnte, ist Sven Teuber ("Wir sind nicht naiv und wir kennen die Zahlen") durchaus klar. Aber Matatko und Egger betonen im Gegenzug, "dass etliche unserer Vorschläge auch kostenneutral realisierbar sind".

Die Bündnis-Vereinbarung soll auf jeden Fall verbindliche Absprachen zu den nächsten städtischen Haushalten umfassen und dadurch mehr sein als eine Absichtserklärung. Dennoch ist den Verhandlungsführern klar, dass sie nicht den Charakter eines Koalitionsvertrages hat. Denn eine gemeinsame Regierung, die ihn umsetzen könnte, gibt es - anders als in Bund und Ländern - nicht. Um dem Papier trotzdem mehr Gewicht zu verleihen, wollen Rote, Grüne und Gelbe es in den Partei-Gremien abstimmen lassen.. Und dann kommt die Nagelprobe für die Ein-Stimmen-Mehrheit, spätestens bei den Dezernenten-Wahlen. Aber da will man nichts anbrennen lassen. "Wir haben alle an Bord", vermutet Thomas Egger, in dessen FDP nach internen Querelen am ehesten Wackelkandidaten zu vermuten wären.

Meinung

Kein Wolkenkuckucksheim

Das entstehende Bündnis aus SPD, Grünen und FDP hätte sich kaum schwierigere Bedingungen für seinen Neustart in der Trierer Stadtpolitik aussuchen können. Eine hauchdünne Mehrheit, riesige Baustellen im wörtlichen und im übertragenen Sinn, ein personeller Umbruch im Stadtvorstand und ein völlig desolater Haushalt. Da bleibt nur das Motto: Du hast keine Chance, also nutze sie! Mancher würde sich angesichts der turmhohen Probleme eine breit fundierte Mehrheit im Rat wünschen. Aber die politische Geschäftsgrundlage dafür hat die CDU verbaut, nicht nur durch das jahrelange "Durchziehen" in der Ära Böhr, sondern vor allem mit den Beton-Entscheidungen in Sachen Baudezernentenwahl und Kohlekraftwerks-Beteiligung. Da wurde das Tischtuch für schwarz-rot oder schwarz-grün leichtfertig durchschnitten. Die FDP nun als "Verräter" am bürgerlichen Lager zu schelten ist absurd. Den Liberalen steht eine Mehrheits-Option mit der CDU schlicht nicht zur Verfügung. Wenn sie Stadtpolitik künftig nicht mehr nur kommentieren, sondern auch gestalten wollen, bleibt ihnen - trotz des Rest-Risikos in den eigenen Reihen - gar keine andere Wahl als die sich abzeichnende Ampel. Die kann allerdings nur funktionieren, wenn sie nicht am Eingang zum Wolkenkuckucksheim steht. Will heißen: Wenn sie Politik am Machbaren ausrichtet, den Bürgern reinen Wein über die katastrophale Lage einschenkt und gleichzeitig die Vision eines Zukunfts-Projektes entwickelt. Ein verdammt schwieriger Job. Aber die drei Verhandlungsführer kommen auf einen Altersschnitt von 32. Wenn sie nicht in der Lage sind, Aufbruchstimmung zu schaffen, wer sonst? d.lintz@volksfreund.de

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