Das Palästchen mit 84 Zimmern

PFALZEL. Geschichte zum Anfassen auf Schritt und Tritt: Wer durch die kleinen Gassen im Pfalzeler Ortskern schlendert, stößt überall auf kulturgeschichtliche Zeugnisse der 1600-jährigen Vergangenheit. Augenfälliges Beispiel: der festungsartige Palast, dem der Stadtteil seinen Namen verdankt.

 Das Ensemble der Pfalzeler Marienstiftskirche weist vier verschiedene Stilrichtungen auf.Foto: Gabriela Böhm

Das Ensemble der Pfalzeler Marienstiftskirche weist vier verschiedene Stilrichtungen auf.Foto: Gabriela Böhm

Nichtnur der Dichter und spätere Bischof Venantius Fortunatus ist vondem Anblick beeindruckt. Es ist das Jahr 588, als derHochgelehrte mit König Childebert und Königinmutter Brunichildeine Schiffsreise von Metz über Trier nach Andernach unternimmt.Vom Fluss aus fällt sein Auge auf die leerstehende Ruine desimposanten Palastbaus aus der Römerzeit. Seine Eindrücke besingtVenantius Fortunatus in dem berühmt gewordenen Gedicht "Denavigio suo" ("Über seine Moselfahrt"). Erbaut in der Mitte des vierten Jahrhunderts, nahm der Palast in Sichtweite zur Stadt Trier eine strategisch günstige Stelle am Wasserweg und den Fernstraßen ein. Und diente gleichzeitig als repräsentativer Palast und als Festung, die - ergänzt um eine Kaserne - eine größere mobile Soldateneinheit aufnehmen konnte. Wehrhaftigkeit wurde groß geschrieben, daher waren im Erdgeschoss des Palastes keine Fenster in den Außenwänden.

Sicherheit entstand auch dadurch, dass die Anlage neben zwei Notausgängen nur eine Zugangsmöglichkeit besaß. Dabei war das "Palatiolum" - der "kleine Palast" - zumindest im Erdgeschoss prunkvoll ausgestattet, wie Funde von großflächigen Mosaikbelägen und Qualitäts-Ziegel-Estriche belegen. 28 Zimmer pro Stockwerk - 84 insgesamt - verteilten sich in dem symmetrisch angelegten Gebäude auf einer Fläche von über 3500 Quadratmetern.

Die Körperpflege kommt nicht zu kurz

Dass die Körperpflege bei all dem Luxus nicht zu kurz kam, zeigt die vom Biewerbach gespeiste Badeanlage, von der Kanäle und die Reste einer Feuerungsanlage noch erhalten sind.

Gegen Ende des vierten Jahrhunderts zogen die Römer ihre Truppen aus den Grenzkartellen ab, unruhige Zeiten brachen an. Aufwärts ging es mit dem "Palästchen" um 700, als Adela in dem Palatiolum ein Kloster für adlige Damen gründete. Das Stift war dem Schutz des Trierer Bischofs unterstellt. Aus der Ostecke der römischen Anlage mit ihrem heute noch bestehenden Mauerwerk entstand die Marienstiftskirche. Erzbischof Poppo löste 1027 das Benediktinerinnen-Konvent "wegen Verfalls der Zucht" auf und wandelte es in ein Kanonikerstift um. Um 1140 ließ sich der Trierer Bischof Albero auf dem Westhügel der römischen Anlage eine Burg errichten. In der Folgezeit diente diese den Trierer Erzbischöfen als Sommerresidenz. Und als Fluchtort, wenn sie bei Streitigkeiten mit der Stadt von Pfalzel aus das Kurfürstentum regierten. In den Jahren 1673/74 wurde die Burg durch französische Truppen stark beschädigt und 1678 schließlich vollständig niedergebrannt.

Die Festungsanlagen wurden nicht wieder aufgebaut.

Die Zerstörungen fanden an Heiligabend 1944 mit einem Luftangriff in der Mittagszeit einen traurigen Höhepunkt. Die Marienstiftskirche wurde wiedererrichtet und dient seit 1962 als Pfarrkirche. Zahlreiche römische Überreste in bis zu zwei Stockwerken Höhe in mehreren Gebäuden zeugen noch heute von der langen Kulturgeschichte des Stadtteils.

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