Das lange Sterben der Schwäne

TRIER. Vor fünf Monaten hat der Umwelt- und Katastrophenschutz Trier e. V. den bisher möglicherweise größten Fall von Wilderei an Mosel und Saar aufgedeckt: Der Verein dokumentierte das Verschwinden von mehr als 70 Schwänen. "Mittlerweile sind 110 Tiere weg oder tot", meldet Lothar Lorig, der seine gesamte Freizeit den überlebenden Schwänen widmet.

Autowracks vor maroden Hallen, zerfallene Mauern, blinde Fenster, zertrümmerte Türen: Die Castelnau-Kaserne in Feyen gehört nicht zu den Orten, an denen man gerne viel Zeit verbringt. Insbesondere nicht im Winter: Es gibt keinen Strom, und die Heizkörper haben schon lange keine Wärme mehr ausgestrahlt. Dennoch ist die alte Kaserne das zweite Zuhause von Lothar Lorig. Hier kümmern sich der Krankenpfleger aus Konz und seine Mitstreiter vom Umwelt- und Katastrophenschutz Trier e.V. um Schwäne, die zwar vom Verschwinden ihrer Artgenossen verschont geblieben sind, aber noch zu jung oder zu schwer verletzt sind, um sich selbst versorgen zu können. Krankenpfleger im Schichtdienst, Schwanenvater in der Freizeit: Diese enorme Belastung hinterlässt Spuren. "Ich habe in den letzten vier Monaten 16 Kilogramm Gewicht verloren", sagt Lothar Lorig. Er findet keine eindeutige Antwort auf die Frage, warum die Sorge um die Schwäne ein Teil seines Lebens geworden ist. "Es schien mir einfach richtig, das zu tun." Eine simple Formulierung für eine gewaltige Leistung. Die Geschichte begann mit einem Spaziergänger, der dem Umwelt- und Katastrophenschutz Trier vor einigen Monaten einen verletzten Schwan meldete. Der Verein kümmerte sich darum und fand Hinweise darauf, dass jemand gezielt hinter den Schwänen an Mosel und Saar her war und sie wegfing (der TV berichtete). Das Team katalogisierte alle Schwanenreviere an der Mosel von Wasserliesch bis zur Staustufe und an der Saar zwischen Konz und Saarburg. Bis zu zehn Stunden am Tag waren Lothar Lorig und seine Helfer unterwegs - und konnten nachweisen, dass mehr als 70 Tiere verschwunden waren. "Es geht weiter", sagt Lothar Lorig heute. "Die Tiere verschwinden immer noch." Durch monatelange genaue Beobachtung der einzelnen Familien kann das Team des Trierer Vereins präzise abschätzen, wie viele Schwäne fehlen. "Unsere Zählungen ergeben, dass mittlerweile 110 Tiere verschwunden oder tot sind", sagt der ehrenamtliche Schwanenexperte. Wer macht Jagd auf Schwäne? "Dieser Fall von Wilderei bleibt für uns ein aktuelles Thema", sagt Dietmar Esch, Stationsleiter der Wasserschutzpolizei Trier. Die Täter und ihr Motiv bleiben dagegen ein Mysterium. Lebend gefangen und abtransportiert

"Das sind keine Amateure", sagt Lorig. "Die kennen das Verhalten der Schwäne so gut wie wir und gehen gezielt vor." Die Tiere werden lebend gefangen und abtransportiert - so viel verraten einzelne Spuren und seltene Aussagen von Augenzeugen. Lorig findet auch verletzte Tiere. "Wir finden im Uferbereich immer wieder Überbleibsel von Anglern, die den Schwänen zum Verhängnis werden", sagt der Konzer. "Dazu gehören Schnüre, Haken und Glasscherben." Um derart verletzte Tiere und um Jungvögel, die ihre Eltern zu früh verloren haben, kümmert sich der Verein in der Feyener Kaserne. Lorig und sein Team haben in einer Fahrzeughalle einen Innen- und einen Außenteich angelegt. "Mein Tag beginnt manchmal morgens um halb sechs und endet nachts um zwei", verrät der Krankenpfleger. Die Betreuung der Tiere ist auch deshalb so zeitintensiv, "weil sie hier ein Umfeld vorfinden sollen, dass ihrer natürlichen Umgebung so weit wie möglich ähnelt". Denn die Jungschwäne sollen später ausgewildert werden. "Die Verletzten und Verkrüppelten bleiben wohl immer bei uns", sagt Lorig. "Niemand sonst nimmt pflegebedürftige Schwäne auf." Der Umwelt- und Katastrophenschutz Trier braucht Unterstützung, um verletzte oder zu junge Schwäne weiterhin versorgen zu können. Kontakt: Lothar Lorig, 0171/9538099.

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