Das letzte Urteil ist gesprochen

"Ich habe versucht, meine Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen zu verrichten, so dass ich ohne Zweifel noch in den Spiegel gucken konnte", sagt Helmut Marx (64). Sein letztes Urteil hat der Richter am Amtsgericht Trier gesprochen und plant nun die neue Lebensetappe Ruhestand.

Trier. Seinen Entschluss für das Jura-Studium hat Helmut Marx nie bereut. "Obwohl das eine Verlegenheitsentscheidung war. Mein Steckenpferd waren eher Deutsch und Geschichte, aber beim Fach Jura sah ich für meine Zukunft mehr Möglichkeiten", sagt Marx. Und die hat der 64-Jährige genutzt. Als Referendar kam er nach Trier und blieb an der Mosel: 30 Jahre als Richter am Amtsgericht, die vergangenen zehn Jahre für Jugendstrafsachen zuständig, hatte er unzählige Male die Entscheidung zwischen Verurteilung und Freispruch. Ein Beruf mit Verantwortung.Ein Beruf mit viel Verantwortung

"Man muss sich bewusst sein, welche Machtstellung man hat und sich gegen jegliche Neigung stellen, Missbrauch damit zu treiben", erklärt er. Auch die Fähigkeit, "aus Selbstschutz abschalten zu können", musste er in seinem Berufsleben lernen. "Aber es gibt Fälle, die einen noch außerhalb des Gerichtssaals verfolgen. Besonders als junger Richter ist mir vieles nah gegangen", erzählt Marx im TV-Gespräch.Statt gnadenlose Urteile zu sprechen, war Marx als Jugendrichter bestrebt, die Instrumentarien des Gesetzgebers auszuschöpfen, die vor der Endstation Gefängnis stehen, wie Antigewalttrainings oder das Verrichten von gemeinnütziger Arbeit. "Aber die Rückfallquote ist sehr hoch, weil straffällig gewordene Jugendliche in der Regel in ihrem kriminellen Umfeld verbleiben", weiß der langjährige Richter.Resigniert habe er dennoch nie. "Da habe ich es mit einem Spruch aus der Bibel gehalten. Ein bekehrter Sünder ist dem Herrn mehr Wert, als 100 Gerechte." Mit Milde und einem guten, aber ernsten Wort, habe er versucht, seinen Klienten einen Rest von Selbstachtung zu lassen. Ein Fall habe ihn in besonderer Weise berührt und über Jahre beschäftigt, erzählt Marx: Ein Jugendlicher war immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten, hatte nach seiner Entlassung aus dem Vollzug aber ein mustergültiges Leben geführt. Bis er durch den Diebstahl einer Schachtel Zigaretten wieder vor dem Richter stand. "Das habe ich bedauert, denn ich musste ihm ja schon seine ganze Jugend rauben." Weil er eigentlich die Kurve gekriegt hatte, konnte Marx die Einstellung des Verfahrens erreichen."Obwohl Verurteilte ihre Wut eher auf die Staatsanwaltschaft oder die Polizei ausrichten", wurde auch Richter Marx in einem Fall mit einer Morddrohung konfrontiert. "Und ich habe bis heute noch ein unruhiges Gefühl", gesteht er.Als Abenteuer und Herausforderung hat er seine Arbeit als Haft- und Ermittlungsrichter begriffen, mit der er nach der deutsch-deutschen Wende Amtshilfe in Jena, danach als Vorsitzender des Schöffengerichts Erfurt, leistete.Neue Herausforderungen annehmen

Neuen Herausforderungen will sich Marx auch in der Zukunft stellen, obwohl er seinen Posten nicht ohne Wehmut verlässt. Er arbeitet an der dritten Auflage seines Kommentars zum Recht der gewerblichen Versteigerung, "Der Auktionator", der in Fachkreisen mittlerweile als Standardwerk gilt. "Als Pensionär will ich keine Löcher in die Landschaft treten, sondern mich noch einmal auf etwas Neues stürzen", sagt Marx. Im Blick hat er eine Tätigkeit für die Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit. "Für diesen Verein will ich gerne ins nahe Ausland gehen, am liebsten nach Tschechien." Denn neben seiner fachlichen Kompetenz ist Marx auch ein Sprachtalent, er spricht Tschechisch, Spanisch, Englisch, Serbokroatisch, Bulgarisch und Russisch.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort