Das sprechende Geschlecht

TRIER. In den 90er Jahren hat die Journalistin Eve Ensler in den USA Hunderte von Frauen interviewt. Thema der Befragung war ihre Vagina. Aus diesen Interviews heraus entstanden die "Vagina-Monologe", humorvoll-schockierende intime Geschichten über weibliche Sexualität. In der Trierer Tuchfabrik führten Frauen aus der Trierer Region die Monologe als szenische Lesung auf – mit großem Erfolg.

 Warum müssen Tampons eigentlich so rauh sein, fragt sich die Journalistin Joya Ghosh. Foto: Melanie Wollscheid

Warum müssen Tampons eigentlich so rauh sein, fragt sich die Journalistin Joya Ghosh. Foto: Melanie Wollscheid

Ein restlos besetzter großer Saal der Tufa beherbergte Neugierige, die sich jenseits eines Sex-basierten Anspruchs mit Themen rund um das weibliche Geschlecht Unterhaltung versprachen. Eine Erwartung, die heiter-humorig, brutal-verbal und auch politisch ambitioniert erfüllt wurde. "Dieter!!! Hier bin ich!", wedelt eine blonde Frau mit ihrem Arm nach ihrem männlichen Begleiter, der Bierglas und Teetasse durch die Reihen jongliert. Auch wenn es auf den ersten Blick eher ein Frauenthema zu sein scheint, ist er nicht der einzige Y-Chromosomenträger, der sich an diesem Abend im großen Saal befindet - mancher als mitgeschlepptes Anhängsel, andere aus freiwilligen Stücken. So zum Beispiel Landwirt Peter aus Trier, den die "pure Neugierde" angetrieben hat. Nun sitzt er mit vor Spannung glänzenden Augen in der ersten Reihe und harrt der Dinge, die da kommen. Und wie sie kommen!Claudia Winter, im normalen Leben Frauenreferentin der Uni, referiert über lustig-tragische Episoden einer Ehe. Sehr tolerant zeigt sich da Paul. Wer ist eigentlich Paul? Ein eher unscheinbarer Zusammenstoß im Supermarkt, der sich als ausgewiesener "Vagina-Kenner" und visuell gesteuerter Liebhaber ("Ich muss dich ‚da' anschauen, denn das bist du!") entpuppt. Seine Vorliebe verfehlt nach anfänglichen Irritationen ihre Wirkung nicht: Seine Angebetete lernt, ihren Körper zu lieben. Die überzeugende Inszenierung dieser Begegnung schafft Simeonstift-Leiterin Bärbel Schulte spielend, was nicht nur auf ihr heißes Outfit mit kurzem Rock und Stiefeln zurückzuführen ist. Ähnlich anzüglich gibt sich Stadträtin Sigrun Priemer, wenn sie rittlings auf einem Stuhl sitzt, von ihrer Leidenschaft für Lesbier-Liebeleien spricht und dabei mit rosa Plüschhandschellen spielt. Bei näherer Betrachtung wirkt ihr Auftritt doch ein bisschen gelangweilt. Aber mit ihrer Aufmachung würde sie ein "Yvonne-Catterfeld-Double" abgeben, das sogar Freund Wayne Carpendale ins Grübeln bringen würde. Bedrückend wirkt der Auftritt von Elke Becker. Die Bibliothekarin schlüpft in die Rolle einer von brutalsten Vergewaltigungen völlig traumatisierten Bosnierin. Die sonst sehr ausgelassene Stimmung im Saal schwankt kurzzeitig und signalisiert echte Betroffenheit. Es geht in den "Vagina-Monologen" eben nicht nur um Skurriles, sondern auch um sexualisierte Gewalt - der Erlös der Veranstaltung geht an den "Frauennotruf Trier".

Der Schluss klingt jedoch wieder heiter aus: Eine hör- und sichtbar anschwellende Stöhn-Parade des kompletten Schauspielerinnenaufgebots zeigt, wie vielschichtig weibliche Sex-Spielarten sind. Da wundert es nicht, wenn frau sich im direkten Vergleich mit dem starken Geschlecht (natürlich rhetorisch) fragt: "Warum sollte sie sich eine Schrotflinte wünschen, wenn sie eine handliche Halbautomatik besitzt?" Eben.

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