De Gaulle und das Tafelsilber

TRIER. Ein Wohnviertel, das seinesgleichen sucht: Die Anwesen in Friedrich-Ebert-Allee, Merian- und Ausoniusstraße zählen zu Triers schönsten Adressen. Doch viele Bewohner fürchten um den einzigartigen Charakter der Siedlung, die in den 20er- Jahren des vorigen Jahrhunderts entstand.

Als 1918 das französische Militär in Trier einrückte, fehlten an allen Ecken und Enden der Moselstadt brauchbare Bleiben. Die Besatzer, die zum Teil ihre Familien mitgebracht hatten und zwölf Jahre bleiben sollten, verschärften die Wohnungsnot zusätzlich. Während in den vom Militär aufgegebenen Kasernen in Trier-West und der Thyrsusstraße Notwohnungen eingerichtet wurden, entstand unweit der noch jungen Kaiser-Wilhelm-Brücke ein schmuckes Viertel, in dem fortan vor allem französische Offiziere samt Anhang unterkamen.Charles de Gaulle wurde in Trier Vater

Ironie der Geschichte: Ausgerechnet der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg verdankt Trier ein für die Stadt bis heute einzigartiges Carré: Die meisten Häuser in der Merian- und Ausoniusstraße sowie der Friedrich-Ebert-Allee wurden damals eigens für die Besatzer gebaut. Das frühere Reichsvermögensamt ließ sie in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts errichten und stellte die Wohnungen den Franzosen zur Verfügung. Unter ihnen ein Mann, der zwei Jahrzehnte und einen Weltkrieg später Geschichte schreiben sollte: General Charles de Gaulle, der von 1927 bis 1929 das 19. Alpenjäger-Bataillon in der Hornkaserne in Trier-West kommandierte. Die de Gaulles bewohnten das Haus Friedrich-Ebert-Allee 2, und dort soll Madame auch ihre erste Tochter zur Welt gebracht haben. 1930 verließen die Franzosen Trier, nun zogen Deutsche in die schmucken Anwesen, die weiterhin Reichseigentum waren. Von Luftangriffen weitgehend verschont, wurde das Viertel während des Zweiten Weltkriegs lediglich leicht beschädigt und dann später vom Bundesvermögensamt wieder in Stand gesetzt. Mehr und mehr mutierte das Carré zu einer reinen Beamtensiedlung, denn wer dort leben wollte, musste eine lebenslange Anstellung beim Bund oder Land vorweisen können. So waren die Wohnungen, die noch heute größtenteils im Bundesbesitz sind, jahrzehntelang nicht frei vermietbar, sondern wurden von der Oberfinanzdirektion in Koblenz vergeben. Eine privilegierte Lage im doppelten Sinne. Nach Wiederbewaffnung und Gründung der Bundeswehr Mitte der 50er-Jahre waren auch deutsche Militärs wieder in die einstigen Offiziersbleiben gezogen. Dann wurde es erst einmal still um die ruhige Wohnlage im Grünen - bis im Frühjahr dieses Jahres Pläne eines Investors bekannt wurden, de Gaulles einstige Unterkunft völlig zu modernisieren und umzubauen (der TV berichtete mehrfach). Seitdem fürchten viele Anwohner um den Charakter des gesamten Viertels. Zwar wurden zahlreiche Gebäude schon vor längerer Zeit in die städtische Denkmalliste aufgenommen, doch förmlich unter Schutz steht nur eine kleine Villa in der Merianstraße. Der Ortsbeirat von Trier-Mitte/Gartenfeld forderte deshalb im September für das gesamte Viertel eine einstweilige Unterschutzstellung. Für das Übergangsdomizil des Generals kommt indes jede Hilfe zu spät: Die Firma Gilbers und Baasch baut derzeit ein neues Satteldach auf das Anwesen. Was für die einen "Triers schönste Einfahrt", ist für die anderen ein "schützenswertes Ensemble". Doch ob der für Trier einzigartige Charakter der Siedlung erhalten bleibt, wird immer fraglicher. Zumal die meisten Anwesen in den kommenden Jahren den Besitzer wechseln werden. Schließlich trennt sich der Bundesfinanzminister allerorten von seinem Tafelsilber. Nach TV -Informationen zählen dazu auch die alten Offiziershäuser.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort