Den Verlierern droht die Unterwelt

TRIER. Ein Wort donnert durch das Amphitheater: "Mortem" - "Tod". Die Zuschauer kennen keine Gnade und fordern die Exekution des Verlierers: Der im Kampf unterlegene Gladiator stirbt durch das Schwert und wird von Sharon, dem Fährmann, über den Fluss Styx in die Unterwelt geleitet. Willkommen bei "Brot und Spiele".

Wir schreiben das Jahr 2004. Überall in Gallien, Germanien und den anderen römischen Provinzen hat man die gute alte Sitte der Gladiatorenkämpfe in Amphitheatern als effektive Form der Unterhaltung längst vergessen. Wirklich überall? Nein. Augusta Treverorum, die älteste Stadt Deutschlands, hört nicht auf, diesem Trend erbittert Widerstand zu leisten und gewährt dem Volk Brot und Spiele - zum dritten Mal in Folge.Trier hat alles, was man zu einem Gladiatoren-Spektakel braucht: ein schönes und auch noch historisch korrektes Amphitheater und einen großzügigen Statthalter Titus, der während der vier Gladiatoren-Spiele immer wieder über seinen Vorgänger herzieht: "Der alte Gaius konnte euch nichts geben. Mit Titus ist es besser leben." Was 2000 Zuschauer regelmäßig mit einem hallenden "Ave, Titus" kommentieren.Doch Titus - hervorragend in Szene gesetzt von Schauspieler Klaus Michael Nix - und seine Sesterzen sind natürlich ebenso fiktiv wie der Tod der Gladiatoren in der Arena. In der Realität ist "Brot und Spiele" ein Projekt der Stadt Trier in Kooperation mit dem Kultursommer und Burgen, Schlösser, Altertümer.Konzeption und auch Durchführung fallen in die Verantwortung der Medienfabrik Trier. Deren geschäftsführender Gesellschafter Ronald Frank moderiert jede Show im Amphitheater persönlich an. Frank schätzte gestern Nachmittag - die letzte Show begann um 17.30 Uhr - insgesamt 15 000 Zuschauer. Ein gewaltiger Einbruch im Vergleich zum Vorjahr, als 20 000 Menschen "Brot und Spiele" sehen wollten. "Dennoch ist diese Veranstaltung ein großer Erfolg", betont Frank im Gespräch mit dem TV . "Bei diesem Wetter können derart viele Besucher nur als Erfolg gewertet werden."Das Wetter - ein Thema, das 2004 allen größeren Veranstaltungen zu schaffen macht. Nach einer wochenlangen Hitzewelle begann pünktlich zum Beginn von "Brot und Spiele" der Regen. So fiel der Start am Freitag ins Wasser. "Diese Lücke in der Kalkulation trifft nicht die Stadt Trier, sondern die Medienfabrik", erläutert Ronald Frank. "Wir haben über das Budget hinaus in langfristige Qualität investiert. Trotz dieses schmerzhaften Einbruchs war es unternehmerisch richtig. Es ist ein Muss für die Römerstadt Trier, sich so zu präsentieren."Die Zuschauer, die der Regengefahr im Amphitheater trotzen, sind begeistert. Abgesehen von der Eintracht im Moselstadion erlebt man in Trier selten ein derart lautstarkes Mitgehen.Nur ein einziges Todesurteil

"Ave", brüllen die Besucher bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Sie feuern ihre Favoriten in der Arena an - um direkt anschließend ihren Tod zu fordern, falls sie verloren haben. Doch Statthalter Titus, er hat das letzte Wort, lässt in jeder Show nur einmal ein Todesurteil zu. Wahrscheinlich aus dramaturgischen Gründen, denn es dauert recht lange, bis Sharon die Seele des Exekutierten aus der Arena in die Unterwelt geführt hat. Das farbenprächtige Spektakel im Amphitheater ist eines von zwei Fundamenten von "Brot und Spiele". In und unter den Kaiserthermen geht es ruhiger zu: Römisches Handwerk und Lagerleben, Theater und Modenschauen werden präsentiert. Hier exerzieren auch die römischen Kampfverbände. Peter Mergeners mystische Nacht in den Versorgungsgängen der Kaiserthermen entführte viele Besucher in die Unterwelt - hier allerdings mit Rückreiserecht. Bilder vom Römerspektakel in unserer Clickme-Galerie

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