Der Beginn einer neuen Ära

TRIER. Der 29. Juni 1945 ist ein bedeutendes Datum in der Stadtgeschichte. Erstmals nach dem Krieg kamen die Trierer wieder zu einer öffentlichen Veranstaltung zusammen. Sie feierten die symbolträchtige Wiedererrichtung des um 1942 "evakuierten" Marktkreuzes. Es war der Beginn einer neuen Epoche – heute vor genau 60 Jahren.

 Mut und Hoffnung schöpfen im zerstörten Trier: Diese Aufnahme schoss Buchbindermeister Franz Mohr am 29. Juni 1945. Das Marktkreuz ist gerade auf die Granitsäule herabgelassen worden. Stehend auf der Tribüne Erzbischof Franz Rudolf Bornewasser bei seiner Ansprache. Foto: Stadtarchiv Trier

Mut und Hoffnung schöpfen im zerstörten Trier: Diese Aufnahme schoss Buchbindermeister Franz Mohr am 29. Juni 1945. Das Marktkreuz ist gerade auf die Granitsäule herabgelassen worden. Stehend auf der Tribüne Erzbischof Franz Rudolf Bornewasser bei seiner Ansprache. Foto: Stadtarchiv Trier

Noch nie zuvor und nie wieder nachher mobilisierte eine so kleine schriftliche Ankündigung so viele Trierer. "Auf Peterstag 1945, 12 Uhr, feiert die Stadt Trier die Wiedererrichtung des Marktkreuzes, des tausendjährigen Trierer Wahrzeichens" hieß es in einer Bekanntmachung in den "Amtlichen Nachrichten der Stadtverwaltung Trier". Und die Bevölkerung strömte herbei. Wohl um die zehntausend Menschen versammelten sich auf dem Hauptmarkt und in den umliegenden Straßen und erlebten eine Feierstunde, die jedem Teilnehmer in unvergesslicher Erinnerung bleiben sollte. Trier Ende Juni 1945. In der Stadt ist der Krieg seit dem Einmarsch der Amerikaner am 2. März vorbei. Am 8. Mai hat Nazi-Deutschland endgültig kapituliert und den Geist aufgegeben. Doch ein halbwegs normales Leben ist in Trier noch lange nicht in Sicht. Die Menschen, die aus der Evakuierung zurückkehren, finden ein gewaltiges Trümmer- und Ruinenfeld vor. Es mangelt an allem - außer an Ungewissheit und rapidem Bevölkerungszuzug. Bei Kriegsbeginn 1939 zählte die Stadt rund 80 000 Einwohner. Als die Amis kamen, waren es nur noch rund 3000, inzwischen leben wieder 30 000 Menschen im Stadtgebiet, und täglich werden es mehr.Balsam auf geschundene Seelen

Wie Balsam für die von Krieg, Trauer, Schmerz und Entbehrung geschundenen Seelen muss die Initiative des von der US-Militärregierung eingesetzten Oberbürgermeisters Friedrich Breitbach (1897-1991) wirken, seinen Mitbürgern ein Symbol des Friedens und der Hoffnung wiederzugeben - das Marktkreuz, das drei Jahre zuvor in einem Palliener Stollen in Sicherheit gebracht worden war. Die Anregung kam von Malermeister Georg Schmelzer, später erster Nachkriegspräsident der Handwerkskammer Trier. Das Datum der feierlichen Wiedererrichtung ist mit Bedacht gewählt: der 29. Juni, der Festtag des Stadtpatrons Petrus, arbeitsfreier trierischer "Nationalfeiertag". Auf dem Hauptmarkt steht an jenem Peterstag eine geschmückte Tribüne, auf der neben fünf Offizieren der US-Militärregierung die zivilen Honoratioren Platz nehmen, darunter OB Breitbach, Erzbischof Franz Rudolf Bornewasser, Regierungspräsident Wilhelm Steinlein und Landgerichtspräsident Eduard Güntzer. Davor stehen Handwerker mit ihren Innungsfahnen, der Domchor und Blasmusiker. Es herrscht atemlose Stille. Mit dem Kirchenlied "Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre" eröffnen Domchor und Orchester die Feier, gefolgt von Josef Nortas Mundartgedicht-Vortrag. OB Breitbach ergreift das Wort. Die dumpfen Schläge der Gangolfsglocke begleiten das Gedenken an die Kriegsopfer. Dann wird eine Kapsel mit Urkunde in die Vertiefung der römischen Granitsäule eingelassen, die anno 958 Erzbischof Heinrich wiederverwendet hat, um sie mit seinem Marktkreuz zu krönen. Der Urkunden-Text stammt von Domkapitular Nikolaus Irsch (1872-1956). Er würdigt Heinrichs einst auf einem Trümmerfeld errichtetes Kreuz als einen Herzpunkt des nachrömischen Trier, ein Wahrzeichen, das der Stadt ein Jahrtausend hindurch Hoffnung und Kraft gegeben hat. Im Anblick des Kreuzes, das nach Finsternis immer wieder helle Tage gesehen habe, schöpfe die Bevölkerung im Andenken an ihre Vorfahren Mut und Vertrauen. "Im Zeichen des Kreuzes geht sie mutig an den Wiederaufbau." "So möge denn das alte und ehrwürdige Marktkreuz nun fest und sicher stehen bis in die fernsten Zeiten", fügt Erzbischof Franz Rudolf Bornewasser (1866-1951) hinzu, als das Kreuz wieder auf der Säule ruht. Triers erste Nachkriegsfeier endet mit dem gemeinsam gesungenen "Großer Gott, wir loben Dich". Ihre Bedeutung hallt noch lange nach. Die Feier "weckte zuversichtliche Hoffnung. Es begann eine neue Epoche Trierer Geschichte", schreibt Alois Thomas im Trierischen Jahrbuch 1951.

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