Der Blonde mit den schwarzen Schuhen

TRIER-SAARBURG. Seit über zehn Jahren ist Trier die Wahlheimat von Michael Rahe. Der Landtagskandidat der Grünen und Doktorand der Rechtswissenschaften liebt Bücher, trinkt äthiopischen Kaffee und will Freiheit nicht nur in der Politik spüren.

Ein dunkler Tisch, zwei helle Stühle, ein Kiefernholzbett, das langsam aus dem Leim geht und überall Bücher, Bücher, Bücher: ein Anatomie-Atlas, Schiller, Hauptmann, Márquez, dazwischen Reiseführer, ein Schachlehrbuch, ein Russisch-Wörterbuch. Auf dem Boden ein Stapel Spiegel-Magazine. Michael Rahe, Landtagskandidat der Grünen im Wahlkreis 24 Trier-Schweich, lebt studentisch. Dabei hat er sein Jura-Examen bereits vor mehr als fünf Jahren abgelegt. Aber unterwegs zu sein ist dem 31-Jährigen wichtiger, als zu viel Zeit in ein perfekt gestyltes Heim zu investieren. Einsatz als EU-Wahlbeobachter

Nach Taiwan, Äthiopien und Georgien, in die Ukraine und den Kongo hat es den blonden Hünen während seiner Promotionszeit jeweils für mehrere Wochen oder sogar Monate verschlagen. Nicht zur Entwicklungshilfe oder für den Naturschutz - wie bei einem Grünen-Politiker vielleicht zu vermuten - sondern als EU-Wahlbeobachter. "Mich interessiert, wie Gesellschaften sich zu Demokratien entwickeln", begründet Rahe, warum er sich nach seinem Referendariat beim Auswärtigen Amt für diesen Job beworben hat, der lediglich mit einer Aufwandsentschädigung vergütet wird. Demokratie ist das große Thema des Verfassungsspezialisten. "Dabei geht es mir nicht primär um theoretische Grundlagen. In Verfassungen kann das Blumigste drin stehen, es kommt darauf an, wie es umgesetzt wird." So seien Bürgerbegehren zwar in der Landesverfassung fest verankert, "aber man benötigt mehr Unterschriften für ein solches Begehren, als man Stimmen braucht, um Oberbürgermeister einer rheinland-pfälzischen Stadt zu werden", sagt der in einem kleinen Dorf bei Minden in Westfalen aufgewachsene Rahe. Dabei wird sein verträumter Blick unter den langen, dichten Wimpern fest, seine Stimme beinahe ein bisschen wütend und der westfälische Sturkopf scheint für einen Moment mehr als nur sprichwörtlich zu sein. Während seines "Mehr-Demokratie-Plädoyers" kühlt sein Kaffee trotz doppelwandigem Edelstahlbecher ab. Äthiopischer Kaffee. "Vorrangig weil der so gut schmeckt, nicht nur, weil er fair gehandelt ist", lacht Rahe. Dem Klischee vom jungen Grünen-Politiker entspricht Rahe nämlich nicht: schwarze Leder- statt zertretene Turnschuhe, Wolljacket statt Strickpullover und ein ordentlicher Haarschnitt. Und die Blumen-Übertöpfe auf der Fensterbank sind auch leer. "Aber nur, weil ich in letzter Zeit so oft unterwegs war", beeilt sich der Doktorand zu versichern, "das haben meine Pflanzen nicht überlebt." Naturverbunden ist er nämlich. Davon zeugen die ledernen Wanderschuhe im Flur, die für Touren in Eifel und Hunsrück bereit stehen. "Vergangenes Jahr ging's zusammen mit meinen Cousins in einer Mehrtagestour auf die Zugspitze", erzählt Rahe. Freiheit richtig spüren eben, so, wie in der Politik, wenn Demokratie nicht nur auf dem Papier steht.

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