Der Kapitän soll bleiben

TRIER. Wenn sich Anfang April die City-Initiative Trier zur Mitgliederversammlung trifft, steht eine brisante Personalie auf der Tagesordnung. Die Wahl des Vorsitzenden bereitet dem Flaggschiff des Innenstadt-Handels Kopfzerbrechen.

Jahrelang war Georg Kern unumstrittener Kapitän auf der Brücke des Trierer Einzelhandels. Unter seiner Führung hatte sich der einst als "Werbegemeinschaft" gemütlich dahindümpelnde Dampfer nach allerlei mühsamen Kurskorrekturen zu einer halbwegs beweglichen Fregatte gemausert. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da sich Kerns Hauptanliegen, ein professionelles City-Management, endlich zu realisieren scheint, spielt der Kapitän mit dem Gedanken, von Bord zu gehen. Schon im letzten Juni, bei einer von Gluthitze geprägten Mitgliederversammlung, hatte er angekündigt, für keine weitere Legislaturperiode zur Verfügung zu stehen. Es gebe "auch noch was anderes als die Arbeit", sagt der 53-Jährige heute. Klavier spielen, Konzerte besuchen, Fahrrad fahren: Für solche Hobbys blieb immer seltener Raum. Auch das eigene "Musikhaus Reisser" musste des häufigeren die Arbeitskapazität des Chefs mit der City-Initiative teilen. Nach fast einem Jahrzehnt an der Spitze fühlt er sich "ausgepumpt". Die Hoffnung, durch den frühzeitigen Wink mit dem Zaunpfahl potenzielle Nachfolger in die Startlöcher zu bringen, erfüllte sich allerdings nicht. Im Vorstand findet sich bis heute keiner, der in Kerns große Fußstapfen treten will. Zwar munkelt man von Interessenten außerhalb des Vorstands, aber die hält niemand für ministrabel. So sähen es altgediente City-Initiativler wie Kern-Stellvertreter Albrecht Thul am liebsten, der Noch-Vormann ließe sich zum Rückzug vom Rückzug überreden. "Wir brauchen ihn weiter", sagt Thul und lobt Kerns Engagement für die kleineren und mittleren Händler in der Innenstadt. "Wir fühlen uns durch ihn gut vertreten", attestiert der selbständige Geschäftsmann, "er hat es hervorragend verstanden, Große und Kleine in eine Richtung zu bringen". Eindeutige Rückenstärkung

Das sehen die Großen offenbar genau so. Hans-Peter Schlechtriemen, Schatzmeister der City-Initiative und als Kaufhof-Manager Vertreter der großen Warenhäuser, plädiert ebenfalls nachhaltig für eine weitere Kern-Amtszeit. "Ich sehe keinen anderen", sagt er und bezieht sich auf "viele Gespräche mit den Kollegen in anderen Kaufhäusern", aus denen er "eindeutige Rückenstärkung für die Arbeit von Georg Kern" mitgenommen habe. Deshalb habe der Vorstand der City-Initiative den Vorsitzenden per Beschluss "gebeten, sich noch einmal zur Verfügung zu stellen". Der so Gepriesene zeigt sich angesichts des Vertrauens "gerührt", bleibt aber dabei, sein Ehrenamt aufzugeben, "wenn sich einer findet, der es übernimmt". Den Umkehrschluss will er zum jetzigen Zeitpunkt nicht kommentieren: dass er letztlich doch zur Verfügung stünde, wenn sich eben kein anderer findet, der für eine vernünftige Weiterführung der Arbeit garantiert. Gute Gründe für eine neue Amtszeit gäbe es allemal. Die Zusammenarbeit mit der neuen City-Managerin Inge Schönherr funktioniert offenbar reibungslos, "eine erhebliche Entlastung", wie Kern einräumt. Und die Kooperation der Innenstadt-Kaufleute sei "zwar schwerfällig", werde aber "immer enger". Die triste Wirtschaftslage macht's möglich, oder, in typisch Kern-iger Formulierung: "Not lehrt Beten". Sogar die ersten Freiberufler und Hausbesitzer haben sich der Notgemeinschaft angeschlossen. Notare, Anwälte, Steuerberater, Vermieter: Kern will alle in die City-Initiative integrieren, die an einer positiven Entwicklung der Innenstadt Interesse haben. Dazu gehören natürlich auch die vielen Geschäftsinhaber, die sich bis dato weigern, ihr Scherflein beizutragen. 200 Mitglieder wollte der eloquente Schwabe für seine Organisation werben, 120 sind es bisher geworden. Mit zwei weiteren Jahren auf der Kommandobrücke könnte "Käpt'n Kern" die selbst gesetzte Zielvorgabe noch erreichen. Ihre Meinung in Kürze? E-Mail an echo@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort