Der Krieg ist auch in den Schulen angekommen

TRIER. Der Irak-Krieg ist erst wenige Tage alt und Trier ist weit weg, könnte man meinen. Aber nicht nur in den Medien ist der Konflikt Thema, auch in Trierer Schulen hat er Einzug gehalten. Und die Auseinandersetzung mit den Geschehnissen am Golf ist in den Klassenzimmern nicht weniger ernsthaft als bei Erwachsenen.

 Schüler der Klasse 6c des Bischöflichen Angela-Merici-Gymnasiums sammeln auf einer Protest-Tapetenrolle Unterschriften gegen den Krieg. Die Aktion soll auch an anderen Schulen schule machen.Foto: Joachim Johanny

Schüler der Klasse 6c des Bischöflichen Angela-Merici-Gymnasiums sammeln auf einer Protest-Tapetenrolle Unterschriften gegen den Krieg. Die Aktion soll auch an anderen Schulen schule machen.Foto: Joachim Johanny

Der Unterrichtstag ist noch jung am Bischöflichen Angela-Merici-Gymnasium in Trier. Die erste Schulstunde ist gerade zu Ende und die elf bis zwölf Jahre alten Schüler der Klasse 6c erwarten ihren Direktor Wolfgang Müller zur Religionsstunde. Der Irak-Krieg soll Thema sein. Oberstudiendirektor Müller wählt als Einstieg das 1779 entstandene Gedicht "Kriegslied" von Matthias Claudius (1740 bis 1815): "'s ist Krieg! 's ist Krieg! O Gottes Engel wehre, und rede du darein! 's ist leider Krieg - und ich begehre nicht schuld daran zu sein!...". Der Text passe in die heutige Zeit, ist einhellige die Meinung unter den Schülern. Denn wer glaubt, Kinder können die im Fernsehen gezeigten Nachrichten nicht oder nur teilweise verstehen, der irrt. Die Kinder wissen genau, wie das Gesehene einzuschätzen ist. Trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer einfachen Sicht auf die Dinge und dem Fehlen des machtpolitische Hintergedankens wissen sie, was sie moralisch davon zu halten haben. "Der Georg Bush meint, dass er selbst alles richtig macht", sagt Nina. "Doch denkt er nur an sich, an seine Überzeugung und glaubt Saddam Hussein ist schlecht. Der glaubt , er hilft den Leuten mit dem Krieg, in Wirklichkeit bedroht er sie doch mit den Bomben." Und Svenja aus der gleichen Klasse meint, "man soll beide in eine Zelle sperren und sie es unter sich ausmachen lassen". Auch dass die Mehrheit der europäischen Bevölkerung gegen den Krieg ist und protestiert nehmen die Kinder war, besonders die Reaktion der Staatsgewalt. "Das geht doch nicht, wenn man gegen den Irak-Krieg demonstriert, dass man von der Polizei geschlagen wird. Man muss doch seine Meinung sagen können", empört sich Charlotte. Aber auch die Medienberichte sehen die Kinder nicht leichtgläubig. Auf die Zeitungsüberschrift "Welt ist live dabei" gemünzt, sagt Charlotte: "Es stimmt nicht, dass wir live dabei sind. Die rücken sich die Nachrichten so zurecht, wie sie es wollen." Und sie meint damit nicht nur die amerikanische Seite in diesem Krieg. In der fünften Klasse der Freien Waldorfschule in Heiligkreuz ist der Irak-Krieg ebenfalls gegenwärtig. Im Unterricht von Markus Rücker machen sich auch diese Zehn- und Elfjährigen Gedanken um das Wie und Warum des Krieges. So vermutet Lukas: "Vielleicht wollen die Amerikaner über alles Macht haben und haben Angst, dass die Iraker Atomwaffen haben?" Sein Klassenkamerad Raffael hingegen ist der Meinung, dass die "Amerikaner sich seit dem 11. September bedroht fühlen", dies sei Grund für den Krieg. Ist die Stimmung in der sechsten Klasse des Angela-Merici-Gymnasiums eher nachdenklich, so überwiegt bei den Schülern der Freien Waldorfschule noch die kindliche Unbefangenheit. Was allerdings nicht heißt, dass den Kindern der Krieg im Irak nicht nahe geht. "Ich habe schon Angst, dass was passieren kann", sagt Katharina etwas schüchtern, doch Pablo meint nur "ich habe keine Angst, aber mir ist das auch nicht egal". Für die Kinder steht jedenfalls fest, dass es keine gerechte Sache ist, was da im Irak passiert. Von Juliane kommt der Vorschlag, die beiden Staatsoberhäupter selbst in den Ring zu schicken: "Ich fände es besser wenn Bush und Saddam kämpfen würden, dann müssten nicht so viele sterben." Als die Kinder der Waldorfschule ihren Gedanken zum Krieg noch freien Lauf lassen, bringt Pablo das Ganze für sich auf einen einfachen Nenner. "Saddam und George Bush sind dumme Menschen", resümiert er, "weil sie Krieg führen und nicht mit einander reden". Darüber, dass der Krieg eine "doofe" Sache ist, sind sich die Kinder beider Schulen einig. Auch darüber, dass man diese Situation nicht einfach so hinnehmen darf. Und so haben die Schüler der Klasse 6c des AMG eine Aktion gegen den Irak-Krieg ins Leben gerufen. Sie möchten auf einer Tapetenrolle Unterschriften gegen den Krieg sammeln. "Nur dumme Menschen reden nicht"

Dazu wollen sie aber nicht nur an ihrer Schule tätig werden, sondern haben einen Brief an die Direktoren der anderen Schulen in der Region aufgesetzt. In diesem bitten sie, auch an deren Schulen Unterschriften gegen den Krieg sammeln zu lassen. Diese sollen dann im Sekretariat des Gymnasiums abgegeben werden, damit die Protest-Rollen den Botschaftern der beteiligten Länder übersandt werden können. Wolfgang Müller, der die Unterschriften-Aktion seiner Schützlinge voll unterstützt, ist sichtlich begeistert über den Wissensstand und das Engagement seiner Schüler: "Ich finde es toll, dass ihr euch so gut informiert und hoffe, ihr redet viel mit euren Eltern darüber." Und so verlassen nach dem Pausengong 30 kleine Friedensaktivisten ihr Klassenzimmer, wild darauf, möglichst viele Unterschriften zu sammeln.

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