Der Sucht die rote Karte zeigen

TRIER. Silvester steht vor der Tür, und die guten Vorsätze für 2004 sind gefasst. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, und das Rauchen ein für allemal aufzugeben, ist leichter gesagt als getan. Mit den Tipps von Psychologin Hanne Katke bleibt es vielleicht nicht nur bei der guten Absicht.

"Nicht die Nikotinabhängigkeit ist das Fatale, sondern das so genannte individuelle Raucherprogramm: die nächste im Auto, ein Zigarettchen gegen Langeweile, gegen Angst oder wenn der Haussegen schief hängt", sagt Psychologin Hanne Katke, Leiterin der Raucherentwöhnungskurse im Gesundheitspark Trier. Rauchen hat laut Katke nichts mit einem schwachen Charakter zu tun, sondern damit, dass Raucher kein adäquates Mittel zur Stressbewältigung, zur Entspannung oder zum Genuss haben. Rationale Gründe reichen nicht aus

Nikotin ist ein hochwirksames Gefäßgift. Beim Verbrennen einer Zigarette entwickeln sich ungefähr zwei Liter Rauch, der neben Nikotin, Kohlenmonoxid und Teer noch über dreitausend weitere chemische Verbindungen enthält. Über 40 Krebs erzeugende Stoffe wurden bisher in einer Zigarette nachgewiesen. Eigentlich müsste bei diesem Wissen der Glimmstängel im Halse stecken bleiben. "Doch rationale Gründe reichen nicht aus, mit dem Rauchen aufzuhören", weiß Hanne Katke. Vier Typen von Rauchern unterscheidet die "Entwöhnungsexpertin": Der Identitätsraucher, zu dem vornehmlich Jugendliche zählen, die das Rauchen brauchen, um Sicherheit auszustrahlen und um "dazu zu gehören". Der Genussraucher pafft zu besonderen Gelegenheiten, weil es ihm Spaß macht. Seine Abhängigkeit ist nicht sehr groß. Anders beim Gewohnheitsraucher, der sich regelmäßig bei bestimmten Beschäftigungen mit blauem Dunst umgibt. Er qualmt vor dem Fernseher, nach dem Essen oder bei jedem Warten. Der Stress-Entlastungsraucher greift zum Glimmstängel, um mit unangenehmen Situationen fertig zu werden. Das Rauchen verschafft ihm kurzfristig ein Gefühl der Erleichterung. "Um Silvester herrscht eine regelrechte Euphorie um die guten Vorsätze", weiß Hanne Katke. Sobald wieder der Alltag einkehrt, zerplatzen die Vorhaben häufig wie Seifenblasen. Deshalb rät sie Rauchern, den Schritt ins qualmfreie Leben gut vorzubereiten. Dann kann auch der Jahreswechsel ein Anreiz sein, um dem gesundheitsschädigenden Laster endgültig zu entkommen. "Zu allererst sollten Raucher ihre Rauchergewohnheiten besser kennen lernen", rät Katke. Die Beantwortung folgender Fragen kann Rauchern helfen, dem Übel auf die Spur zu kommen: Warum rauche ich? Was löst bei mir der Griff zur Zigarette aus? Was könnte ich tun, anstatt zu rauchen? Wie sieht meine Zukunft als Nichtraucher aus? "Ganz wichtig ist, dass das Nichtraucherverhalten in der Vorstellung geübt wird", so Katke. "Wenn sich jemand vorstellt, dass er ohne Zigarette ein Nervenbündel sein wird, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass er überhaupt aufhört. Kaum ein Mensch tut etwas, wenn er sich vorstellt, nachher schlimmer dazustehen als vorher." Deshalb gilt als goldene Grundregel: eine aufgestellte Gewinnliste, die das Nichtrauchen mit sich bringt, sollte verinnerlicht werden. Darauf könnte zum Beispiel stehen: Wenn ich aufhöre, senke ich mein Lungenkrebsrisiko ganz erheblich. Ohne Zigarette hätte ich das Gefühl, mein Leben wieder besser im Griff zu haben. Ich werde über mehr Spannkraft und Energie verfügen "Das mentale Training ist wichtig, da der Wille allein oft nicht ausreicht", sagt die Psychologin. Auch sollten ganz praktische Dinge getan werden, wie die "Raucherspuren" in Form von Aschenbechern, Feuerzeugen und Zigaretten in der Wohnung zu beseitigen. Wie sich jemand vom Rauchen verabschiedet, hängt laut Katke sehr stark mit der Persönlichkeitsstruktur zusammen: "Menschen die von heute auf morgen aufhören, neigen auch meist in anderen Bereichen zu radikalen Lösungen. Andere legen Schritt für Schritt ihre schlechten Gewohnheiten ab." Vor Menschen, die einen alten Opa aus dem Hut zaubern, der wie ein Schlot raucht und demnächst 90 Jahre alt wird, "warnt" die Psychologin: "Zwar wird nur die Hälfte der Raucher messbar krank. Doch niemand weiß im voraus, zu welcher Hälfte er gehört." Wer den Weg ins rauchfreie Leben nicht alleine gehen möchte, kann sich Unterstützung holen, von der psychologischen Beratung bis hin zum Nikotonpflaster. Hanne Katke: "Alles ist gut, was dazu bewegt, nicht mehr zu rauchen - auch Silvester."

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