Der Tod kommt schnell

TRIER. (MER) Aids ist das wohl größte gesellschaftliche Problem in der Ukraine. Tausende Kinder leiden an der Immunschwächekrankheit, werden sozial ausgegrenzt und haben kaum Aussicht auf Behandlung. Zum Welt-Aids-Tag zeigte das Cinemaxx den Dokumentarfilm "Das generalisierte Stadium der Epidemie". Im Anschluss wurde über die Lage diskutiert.

Nadja ist vier Jahre alt. Ihre Mutter war eine Prostituierte, die starb, als ihre Tochter drei Monate alt war. Ihren "Vater", wenn man den Freier überhaupt so nennen kann, hat Nadja nie zu Gesicht bekommen. Nicht viel hat ihre Mutter Nadja mit auf den Weg gegeben - eigentlich war es nur ein einziges, todbringendes Vermächtnis: Aids. Wie Nadja geht es vielen tausenden von Kindern und Müttern in der Ukraine. Ohne Medikamente ist die Gefahr der Übertragung des Erregers von Schwangeren auf ihre Kinder sehr groß. Für einen Deutschen muss die Ansteckung mit dem HI-Virus nicht unmittelbar den Tod bedeuten - eine lebenslange Behandlung mit teuren Medikamenten vorausgesetzt. Doch dafür ist in der Ukraine kein Geld da, und viele Patienten sterben sehr schnell. Schonungslos deckt der Dokumentarfilm "Das generalisierte Stadium der Epidemie" die Schwächen des ukrainischen Systems auf. Doch es ist ein persönlicher Film, der viele betroffene Menschen zu Wort kommen lässt, sie in ihren Lebenslagen zeigt und authentische Einblicke gewährt. Beispielsweise in das Leben einer 40-jährigen Mutter, die ihre vierjährige Tochter, beide infiziert, zur Kur schickte. Nachts wurde sie im Krankenwagen zurückgebracht. "Wenn wir das Kind hier behalten und die anderen Eltern erfahren, dass es Aids hat, schlagen sie es tot", gibt die Frau wieder, was ihr die Sanitäter als Grund nannten. In der Podiumsdiskussion mit Vertretern des Trierer Aids-Hilfe, die TV-Redakteur Dieter Lintz moderierte, wurden die Probleme in der Ukraine erörtert. Viele Zuschauer zeigten sich sehr betroffen von dem Film. Die Lage in der Ukraine hat sich seit dem Zusammenbruch des Ostblocks verschlimmert. Während es zu Sowjetzeiten ein funktionierendes Gesundheitssystem gab, können sich jetzt nur noch Wohlhabende eine medizinische Versorgung auf Westniveau leisten. Eine Zuschauerin, die aus der Ukraine stammt, erzählte: Der öffentliche Notdienst ist miserabel. Wer einen privaten Krankenwagen bestellt, muss dafür 80 Euro zahlen. Eine Durchschnittsrente beträgt aber nur 50 Euro.

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