"Der Volksfreund ist mein Leben"

TRIER. Am 1. Mai 1957 bekam Josefine Schmidt ihre erste eigene Tour als Zustellerin des Trierischen Volksfreunds . Die 68-Jährige, die an Weihnachten 1934 geboren wurde, setzte damit eine Familientradition fort. Bereits ihre Mutter, Anna Dellinger, hat 28 Jahre lang den Volksfreund ausgetragen.

Josefine Schmidt muss nicht lange grübeln, wenn man sie um eine Beurteilung ihres Jobs aus heutiger Perspektive bittet. "Es ist der schönste Job, den man überhaupt machen kann", berichtet sie mit einem Strahlen in den Augen. "Die Luft ist um vier Uhr morgens so klar, und alles ist herrlich friedlich", fährt sie fort. "Außerdem", hierbei wird ihr Blick etwas ernster, "außerdem wird man fertig".Freitags gab's Brötchen mit Fleischwurst

Man versteht, was sie meint, wenn man ihr Privatleben betrachtet. Ihr Ehemann ist pensionierter Fernfahrer und war somit selten zu Hause, um bei der Erziehung der sieben Kinder zu helfen. Mit etwas fertig werden, es also zu Ende zu bringen, ist und war für Josefine Schmidt schon immer eine willkommene Abwechslung zu ihrer Arbeit im Haushalt. Dort lag immer etwas an. Besonders gerne erinnert sich Josefine Schmidt auch an die Zeit, als sie nebenbei noch als Einlegerin der Beilagen des Volksfreunds gearbeitet hat. Diese Arbeit hat sie zum letzten Mal in den frühen 70er-Jahren verrichtet. "Die Menschen dort waren so nett, und in den Pausen der Freitagnachmittage gab es immer ein Brötchen mit einem großen Stück Fleischwurst. Das hat sehr gut geschmeckt", sagt Josefine Schmidt lächelnd. Ihre Kinder weiß sie alle gut versorgt. Von der ältesten der fünf Töchter, die mittlerweile auf die 50 zugeht, bis hin zum 22-jährigen jüngsten Sohn hätten alle ihren Platz gefunden. Eine Tochter hat sogar den Bürgermeister von Jünkerath geheiratet. Eine andere Tochter, wie könnte es anders sein, geht schon lange ihre eigene Tour für den Volksfreund . Ärger, sagt Josefine Schmidt, habe sie in all den Jahren kaum gehabt. Sicher, im Winter sei es schon mal glatt gewesen, aber da sei man nicht so empfindlich gewesen. Man musste ja fertig werden. Als sie einmal eine verlorene Kamera fand, zögerte sie nicht, alles zu versuchen, um den Eigentümer ausfindig zu machen. Sie ließ den vollgeknipsten Film entwickeln und stellte fest, dass es sich um Hochzeitfotos handelte. Über das Nummernschild eines Hochzeitgastes konnte sie schließlich den überglücklichen Eigentümer der Kamera ermitteln. Dieser kam aus dem Hochwald - und der dortigen Lokalausgabe des TV war der Zwischenfall unter der Überschrift "Ehrlichkeit währt am längsten" sogar eine kleine Notiz wert. Das aufrichtige und loyale Wesen der Josefine Schmidt wird besonders deutlich, wenn sie gefragt wird, ob sie damals einen Finderlohn verlangt hätte. "Nein", antwortet sie dann, "die mussten doch genauso kämpfen wie ich". Das Einzige, was sie an ihrem Leben ein wenig bedauert, ist, dass sie Weihnachten geboren wurde. "Wegen der Geschenke", sagt sie, "es ist schon blöd, immer nur eins zu bekommen". Man hätte ihr durchaus zwei gegönnt.

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