Der "Zar" von Trier

Unbeugsam, gefürchtet, mächtig: Nikolaus Koch (1908 bis 1982) war schon zu Lebzeiten eine Legende. Heute vor 100 Jahren wurde der frühere Verleger des Trierischen Volksfreunds geboren. Die 1993 von seiner Witwe gegründete Nikolaus-Koch-Stiftung hält die Erinnerung an ihn wach.

 Facettenreiche Persönlichkeit, aber stets gradlinig: Verleger Nikolaus Koch (1908 bis 1982). Foto: Archiv Nikolaus-Koch-Stiftung

Facettenreiche Persönlichkeit, aber stets gradlinig: Verleger Nikolaus Koch (1908 bis 1982). Foto: Archiv Nikolaus-Koch-Stiftung

Trier. Die Verleger-Dynastie Koch schätzte Prinzipien. Auch bei der Namensgebung. Der Gründer des Trierischen Volksfreunds hieß Nikolaus, sein Sohn und Nachfolger Nikola und der Enkel wieder Nikolaus. Aus heutiger Sicht bietet der Mangel an Varianten einen Vorteil: Die 1973 erfolgte Umbenennung des Justizplatzes in Nikolaus-Koch-Platz ist dazu angetan, gleich zwei große Trierer Persönlichkeiten zu würdigen. Tatsächlich ist der Platz nach dem Unternehmensgründer Nikolaus Koch (1847 bis 1918) benannt, sein gleichnamiger Enkel hätte fraglos ebenfalls eine nach ihm benannte Straße oder einen Platz verdient.

Schon mit 26 Jahren Zeitungs-Chef



Der letzte Spross der Dynastie avancierte in der Nachkriegszeit zu einem der einflussreichsten Trierer, wenn nicht gar dem mächtigsten.

Der berufliche Weg war vorgezeichnet. Das Studium am Heidelberger Buchdrucker-Technikum und an der Staatlichen Akademie für Graphische Kunst in Leipzig sowie die Rundum-Ausbildung im Familien-Unternehmen machten ihn fit für die Chef-Rolle, die ihm unerwartet früh zufiel. Nach dem Tod des Vaters Nikola (1873 bis 1935) übernahm Nikolaus Koch 26-jährig die Gesamtleitung von Druckerei und Zeitungshaus am Justizplatz.

Den Versuchen der Nationalsozialisten, ihn für ihre Zwecke einzuspannen, trotzte der junge Verleger. Er fühlte sich dem von ihm sehr verehrten Großvater verpflichtet, der dem TV "eine vermittelnde Stellung unter den Konfessionen und furchtloses Eintreten für Wahrheit, Recht und Freiheit" zugedacht hatte. Weil er sich 1938 nicht dem Zwang der Nazis nach Gleichschaltung aller Zeitungen beugte, enteigneten ihn die Machthaber und verboten das Blatt. Diese unerschrockene Geradlinigkeit und die Tatsache, dass die Nazis ihn ab 1935 schikaniert und als "politisch nicht tragbar" aus der Reichspressekammer ausgeschlossen hatten, kam Koch nach dem Krieg zugute. Die französischen Besatzer beauftragten ihn im Herbst 1945, seinen Zeitungsverlag wieder aufzubauen. Die erste TV-Nachkriegsausgabe erschien am 10. April 1946 unter dem Titel "Trierische Volkszeitung", ab 8. Juli 1949 durfte das Blatt wieder Trierischer Volksfreund heißen.

Der Verleger bewies Weitsicht, Cleverness und unternehmerische Kreativität. Binnen weniger Jahre entwickelte er durch stetige Erweiterung des Verlagshauses und Modernisierung der Technik "seinen" TV zu einer der führenden rheinland-pfälzischen Tageszeitungen.

Von den Mitarbeitern forderte der omnipräsente Chef ein Höchstmaß an Einsatzbereitschaft. Er selbst pflegte einen gutsherrlichen Führungsstil, gepaart mit einem rustikalen Charme. Ob gewollt oder nicht: Kochs Alleinherrschaft begünstigte die Entwicklung eines Vasallentums im näheren betrieblichen Umfeld. Selbst die "kleinen Köche" duldeten keinen Widerspruch der Belegschaft.

Nikolaus Koch war glühender Wagner-Fan und Stammgast in Bayreuth, er selbst gab gern den Poltergeist, wenn ihm etwas gegen den Strich ging.

"Kochs Bubb" und seine soziale Seite



Mehrere Male feuerte er leitende Angestellte, um sie am nächsten Tag wieder aufzunehmen. In einigen Fällen blieb es beim Rausschmiss. Da schreckten den sonst eher auf Sparsamkeit bedachten Verleger auch hohe Abfindungssummen nicht.

Die facettenreiche Persönlichkeit Nikolaus Koch hatte aber auch eine herzliche und soziale Seite. Kinder aus sozial schwachen Familien lud er zum Weihnachtsmärchen ins Theater ein und beschenkte sie, in Not geratenen alten Weggefährten steckte "Kochs Bubb" (Spitzname) Geld zu. Und er war wie sein Vater und Großvater "ein Trierer Jung", wie er sich selbst gern bezeichnete.

1974 sah er ein Lebensziel verwirklicht. Die Trierische Landeszeitung, für ihn wegen auflagebedingter kürzerer Druckzeiten oftmals die aktuellere und damit lästige Konkurrenz, stellte am 1. April ihr Erscheinen ein.

Der "Zar", wie ihn Kommunalpolitiker gerne nannten, nahm viel Einfluss auf die Stadtentwicklung. Die alte Feuerwache zwischen Böhmer- und Fleischstraße musste einer Verlagserweiterung und dem Neubau des Kaufhauses Horten weichen; die Verlängerung der Böhmerstraße über das Gelände der Vereinigten Hospitien hin zur Moselufer-Straße nannten Spötter "Nikolaus-Koch-Gedächtnis-Schneise", weil der Verleger mit seinen diversen Opel- und Mercedes-Limousinen auf diesem neuen Weg schneller zu seiner Villa am Nachtigallenweg im Stadtteil Heiligkreuz gelangen konnte.

Koch, geachtet wie gefürchtet, war auch der wohl prominenteste Gegner der (nie realisierten) Ostrandstraßen-Pläne. Weniger aus verkehrspolitischer Überzeugung oder Sorge um das Landschaftsbild, sondern weil die Entlastungsstraße sein Grundstück tangiert hätte.

Viel Zeit zur Freude über seine Erfolge blieben dem mit Orden und anderen Ehrenzeichen hoch dekorierten Koch nicht mehr. In den letzten Lebensjahren schwer krank (was nur Eingeweihte wussten), starb er am 19. März 1982 im Brüderkrankenhaus.

Familienvermögen fließt in Stiftung



Seinen letzten Wunsch - die Gründung einer Stiftung zur Unterstützung von Waisenkindern und Behinderten sowie zur Förderung der Ausbildung junger Menschen - verwirklichte seine Witwe Luise. Als im Januar 1993 die letzte Vertreterin der Trierer Verleger-Dynastie Koch starb, floss deren gesamtes Vermögen in die erst wenige Wochen zuvor ins Leben gerufene Nikolaus-Koch-Stiftung. Aus einer Million Mark ursprünglichen Stiftungskapitals wurden über 125 Millionen.

Adoptivtochter Gabriele (Jahrgang 1958) hatte sich 1992 ihren Pflichtteil am Erbe ausbezahlen lassen.

Extra

Die Nikolaus-Koch-Stiftung fördert aus Anlass des 100. Geburtstags ihres Initiators und Namensgebers in besonderem Maße frühe Bildung und Schulbildung in der Region Trier. Gemeinsam mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung bündelt die Stiftung (Vorstandsvorsitzender: Manfred Bitter) im "Bildungsfenster Trier" Initiativen, um Impulse für innovative und nachhaltige Bildungsarbeit in der Region zu geben. Als weiteres Projekt aus diesem Anlass fördert die Stiftung in Kooperation mit dem Theater Trier und dem Palais e.V. die Aufführung des Theaterstücks "Die Räuber". Bei diesem Projekt kommen Jugendliche aus bildungsfernen Schichten mit kulturellem Bildungsgut in Kontakt und lernen neue Berufsfelder kennen. Einzelheiten will die Stiftung in der kommenden Woche mitteilen. (rm.)

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