Der den Stein zum Klingen bringt

TRIER. "Wenn ich absolut unabhängig wäre, würde ich wahrscheinlich in Steinbrüchen herumlaufen und gucken, was da wächst." Der Trierer Bildhauer Thomas Föhr hat ein geradezu liebevolles Verhältnis zum Material Stein.

Im Garten vor der Werkstatt in der Heiligkreuzer Straße stehen einzelne Stelen und abstrakte Skulpturen. Daneben sieht der Besucher Repliken antiker Portraits. In der Werkstatt liegt zum Zeitpunkt unseres Besuchs der Abguss eines großen Baumkreuzes: Ausgangsform für eine zu schaffende Nachbildung, denn am Original, das im Stadtteil Heiligkreuz steht, haben inzwischen Wind und Wetter ganze Arbeit geleistet. Die Materialien sind vielfältig und oft abhängig vom auszuführenden Auftrag: Kalk, Sandstein, Granit und viel Basalt. Das vulkanische Gestein ist Thomas Föhrs Lieblingsmaterial. "Basalt ist zäh und bietet Widerstand", erklärt er seine Vorliebe, und: "Wenn das Material fertig behauen ist, habe ich die Option, ob der Stein rau bleibt oder poliert wird. Ich kann seine Struktur und seinen Klang bestimmen." Neues und Älteres organisch verbinden

Seine freien Arbeiten führt Föhr vorwiegend in Eifeler Basalt aus. So entstehen unter anderem Stelen und quaderförmige Objekte mit regelmäßigen Durchbrüchen oder aus großen Blöcken gehauene Skulpturen, die Einblicke und Durchblicke schaffen. Der schwere Stein erscheint luftig und transparent. Viele Skulpturen haben einen ganz eigenen, warmen und satten Klang, wenn sie, wie das Blatt eines Xylophons, durch einen leichten Schlag zum Schwingen gebracht werden. So, wie Thomas Föhr über seine Arbeiten spricht, werden zwei wesentliche Dinge deutlich: Zum einen ist handwerkliches Können für ihn die Grundvoraussetzung zur Ausübung seines Berufs. Er braucht die körperliche Auseinandersetzung mit dem Material. Diesem und sich selbst gibt er, wie Föhr es formuliert, während des schöpferischen Prozesses Identität. Zum anderen wird sein Respekt vor der Materie deutlich. Er verwandelt ein Stück in der Natur gewachsenen Gesteins in ein von Menschenhand gestaltetes Objekt. Und das mit einem ganz eigenen Bewusstsein. Föhr gesteht dem Stein, der ihm als Ausgangsmaterial dient, einen fast wesenhaften Status zu: "Ich reiße ihn doch von seinen Wurzeln ab und tue ihm Gewalt an." Harte Arbeit zeitigt Erfolge

Nicht die ausschließliche Selbstverwirklichung des Künstlers steht für den 51-Jährigen im Mittelpunkt des Schaffens. Eher die wohlüberlegte Zurücknahme eigenwilliger Vorstellungen zugunsten einer Art von ganzheitlicher Harmonie. Bei freien Arbeiten heißt das, dem jeweiligen Gestein handwerklich gerecht zu werden und es - bei Aufstellung in der freien Natur - rücksichtsvoll in vorhandene Strukturen einzubetten. Bei Auftragsarbeiten bedeutet es überdies, Zusammenhänge zu erkennen und nicht selten Lösungen zu entwerfen, die unterschiedliche Stilelemente in Einklang bringen. Solche Anforderungen stellen bisweilen Aufträge im kirchlichen Umfeld, wenn beispielsweise in einer modernen Betonkirche der Altarraum neu entworfen wird und Tabernakel und Kruzifix aus vergangenen Epochen integriert werden sollen. Der Blick für Relationen und die Liebe zum Stein wurden Thomas Föhr in die Wiege gelegt. Großvater Vitus Föhr gründete als akademischer Bildhauer 1906 eine eigene Werkstatt, die von Vater Klaus Föhr weitergeführt wurde. Der kleine Thomas wurde spielerisch mit der Arbeit des Steinmetzen und Bildhauers konfrontiert. Die Mutter betrieb ein Mode-Atelier. So waren dem Knaben Schnittmuster und Formenbau ebenso vertraut wie der Umgang mit Hammer und Meißel. Künstlerische Gestaltung und handwerkliche Sorgfalt bildeten eine selbstverständliche Einheit. Föhr rückblickend: "Ich konnte mir nie vorstellen, etwas anderes zu werden als Bildhauer." Nachdem der Vater 1964 gestorben war, unternahm Thomas Föhr erste künstlerische Gehversuche in der verwaisten Werkstatt. Es entstanden kleine Arbeiten in Gips und Bleigüsse. 1968 drängte es ihn in die Kunstszene. An der Düsseldorfer Akademie sammelte er Erfahrungen in "Denkerklasssen" und experimentierfreudigen Seminaren, fand das Gesuchte aber erst außerhalb der Akademie bei den Düsseldorfer Jungmeistern, wo er nach eigenem Bekunden handwerkliche und bildhauerische Fähigkeiten so erlernte, wie er sich das vorstellte. Wanderjahre führten ihn nach einer Bildhauerlehre bei Josef Müller in Düsseldorf über die FH Rheinland-Pfalz Grafik und verschiedene Bildhauerwerkstätten zur Meisterschule in München und endeten schließlich 1979 im väterlichen Atelier, wo er eine eigene Steinwerkstatt aufzubauen begann. Harte Arbeit zeitigte Erfolge. Föhr erhielt den Kunstförderpreis des Landes Rheinland-Pfalz, konnte aufgrund eines Unesco-Stipendiums in Venedig arbeiten und beteilgte sich an Ausstellungen. Es folgten ein Lehrauftrag an der FH Trier und diverse Wettbewerbsgewinne "Kunst am Bau". Große Arbeiten entstanden sowohl im kirchlichen als auch im profanen Bereich. Altarzonen-Gestaltungen gehören dazu ebenso wie die bildhauerische Gestaltung von Klinik-Außenanlagen oder Großplastiken an verschiedenen öffentlichen Gebäuden. Tiefe Liebe zur Natur

Seit 1986 steht ihm Ehefrau und Steinmetzmeisterin Renate Diederichs auch bei der Ausführung großer Aufträge zur Seite. Trotz der Einbindung in zahlreiche öffentliche Kunstvergaben ist Thomas Föhr einer, der die "Szene" nicht als seine Bühne betrachtet. Seine Liebe zur Natur sitzt tief. Im Sommer 2001 beteiligte er sich am Symposium "Steine am Fluss". Zehn Bildhauer schufen 16 Skulpturen entlang der Obermosel. Föhr meißelte bei Wincheringen seine "Kulturstruktur" in einen Sandsteinblock. Die Skulptur bleibt dort, wird Spuren der Zeit annehmen und eines fernen Tages verwittert sein. Ein Vorgang, der Föhr gefällt, weil der Stein in der Natur bleibt - auch nachdem er ihm "Gewalt angetan" hat - und irgendwann wieder nichts anderes sein wird als ein Steinblock. So wundert es nicht, dass Thomas Föhr mit Ehefrau Renate Ausgleich, Inspiration und Erholung in der Natur sucht. Ausgedehnte Reisen mit dem Fahrrad führten die beiden schon nach Norwegen und Island, wo Föhr vor allem eines faszinierte: "Die fantastischen Gesteinsstrukturen."

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