Der "ideale Zeitpunkt" zum Aufhören

TRIER. Zimmermann, Regnery, Thul, Matiz, Gerg – gleich mehrere Inhaber-geführte Fachgeschäfte in der Fußgängerzone schließen zum Jahresende ihre Pforten. Wirtschaftsdezernentin Christiane Horsch spricht von herben Verlusten für die Einzelhandelslandschaft. Alfred Thielen, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes, sieht auch positive Seiten: Keiner macht dicht, weil er pleite ist. Zudem würden "gute Geschäfte" nachrücken.

Die Häufung der angekündigten Geschäftsaufgaben überrascht den Laien. Der Fachmann sieht darin nichts Ungewöhnliches. "Das Weihnachtsgeschäft ist ein idealer Zeitpunkt zum Aufhören. Der Räumungsverkauf fällt in eine ohnehin umsatzstarke Zeit", weiß Einzelhandelsverbands-Chef Alfred Thielen. Steuererhöhung nur einer von vielen Gründen

Er vergleicht die aktuelle Situation mit der Euro-Einführung: "Vor fünf Jahren hat keiner allein wegen der Währungsumstellung aufgegeben. Heute tut das auch niemand allein wegen der bevorstehenden Mehrwertsteuererhöhung. Aber solche einschneidenden Veränderungen liefern möglicherweise einen zusätzlichen Grund." Die Hauptgründe seien allesamt respektabler Natur. Wie bei Korb Regnery. 58 Jahre nach der Firmengründung geht an der Ecke Nagel-/Stresemannstraße eine Ära zu Ende. Ich habe 45 Jahre mit Herzblut hier gearbeitet und werde bald 65", sagt Rolf Grimm, Schwiegersohn des Firmengründers. Mit Gattin Ursula (63) will er sich in den wohlverdienten Ruhestand begeben. Dabei ist er, wie er zugibt, "hin- und hergerissen. Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Aber die Situation ist für uns immer schwieriger geworden". Im alten Regnery-Haus wird ein neues Geschäft entstehen. Welches, das will Grimm "noch nicht verraten", lässt aber durchblicken, dass es "nichts Gastronomisches" sein wird. Im Textilhandel wird die Zukunft der Möbel-Zimmermann-Immobilie liegen. "Auch dort stirbt ein weiteres Stück Trier", bedauert Wirtschaftsdezernentin Christiane Horsch und zeigt gleichwohl Verständnis für das Abschiednehmen der Familienbetriebe auf breiter Front: "Der Einzelhandel hat größte Probleme mit der Unternehmensnachfolge. Der Beruf ist bei sinkender Gewinnspanne und ausgeweiteten Ladenöffnungszeiten unattraktiver geworden. Dann kann die Vermietung deutlich lukrativer sein, als sich selbst krumm zu legen." Die Kehrseite der Medaille: Gerade wegen Mietpreisen, die inzwischen auf Mainzer Niveau liegen, hat schon so mancher Familienbetrieb aufgegeben. Triers teuerstes Pflaster liegt am Hauptmarkt. Dort werden bis zu 120 Euro Miete pro Monat und Quadratmeter verlangt. Mit kreativen Aktionen gegen den Trend

Auch an anderen Stellen wird kräftig zugelangt. In der Neustraße beispielsweise gibt es Geschäftsflächen, deren Miete inzwischen dreimal so hoch ist wie vor zehn Jahren. "Es gibt einzelne Hausbesitzer, da fasst man sich an den Kopf", sagt Christiane Horsch. Die hohe Mietbelastung sieht auch Karin Kaltenkirchen, die Vorsitzende der City-Initiative, als einen Hauptgrund dafür, "dass Trier wie so viele andere Städte immer weniger unverwechselbar wird. Wir versuchen, mit kreativen Aktionen wie ,Trier spielt´ dagegenzuhalten und den Kunden etwas Besonderes zu bieten, das sie nur in Trier finden." Im Trend der fortschreitenden Uniformität steht Trier vergleichsweise gut da. Noch rund 30 Prozent der Läden in der City zählen zur Kategorie "Inhabergeführt". Wie das in einigen Jahren sein wird, vermag niemand zu sagen. "Das Ladensterben geht wohl weiter", vermutet Christiane Horsch; "Es müsste eine Kampagne her, die dabei hilft, inhabergeführte Geschäfte zu erhalten oder nach Trier zu bekommen." Einzelhandelsverbands-Chef Thielen stimmt "ausdrücklich nicht in das Klagelied ein. Zum Handel gehört der Wandel. Die aktuellen Geschäftsaufgaben sind ein eindeutig besseres Zeichen als Insolvenzen. Zudem weiß ich, dass gute Geschäfte nachrücken werden."

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