Der letzte Schmied

TRIER. Welcher Urahne einst seinen Betrieb gegründet hat, kann Schlossermeister Werner Schäfer nicht mehr zurückverfolgen. Das Handwerk ist für ihn jedoch keine lästige Familienpflicht: "Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht."

Ein Rechnungsbuch aus dem Jahr 1828 zieht Werner Schäfer aus der Schublade. Es ist der früheste Beleg für seinen Familienbetrieb. Ordentlich in Sütterlinschrift und mit Tinte hatte hier einst ein Vorfahre Buch geführt. "Ich habe nie gelernt, diese Schrift zu lesen", sagt Werner Schäfer mit ein wenig Wehmut in der Stimme und legt es wieder weg.Ein "Huhn" als Türgriff

Auf eine lange Geschichte kann sein Unternehmen zurückblicken. Traditionsreich ist auch das Handwerk, das der 53-Jährige heute noch mit Hammer und Amboss ausführt. "Es sind natürlich Hilfsmittel hinzugekommen, aber im Grunde genommen ist die Schlosser-Arbeit die gleiche geblieben", sagt er. Nur der Stil wandele sich alle paar Jahre. So sei mal Rost, mal Anstriche, Verzinkungen oder nun eben der Edelstahl in Mode. Werner Schäfer versteht seine Tätigkeit nicht allein als Handwerk: "Für mich ist es Kunst, aus einem Stück Stahl etwas zu formen, egal was es ist. Es gehört Gefühl dazu." Diese Kunst findet der Besucher in und um das Haus, in dem Schäfer und seine Frau leben. Hier begrüßt ein Huhn als Türgriff den Gast, dort steht ein Stahl-Sparschwein auf der Kommode. Seine Esszimmer-Stühle hat Werner Schäfer kurzerhand selbst entworfen, weil er keine fand, die zum Tisch passten. Im Erdgeschoss des Hauses befindet sich seine "kleine Schmiede". Hier arbeitet er im Blaumann und mit der Mütze auf dem Kopf, die ihn vor glühenden Funken schützt. Ins Auge geht es dennoch ab und zu: "Mein Augenarzt kennt mich sehr gut", sagt Schäfer lächelnd über seine Blessuren. Ein Lehrling und ein Geselle unterstützen ihn bei der Arbeit. Wohlige Wärme macht sich an trüben Herbsttagen breit, wenn Schäfer das Feuer anheizt. Der Rauch breitet sich dann aus und von der rabenschwarzen Decke bröckelt die Kohle. "Ich muss mal wieder streichen. Die Decke wird weiß", scherzt er. Vor mehr als 20 Jahren kaufte Werner Schäfer das Haus mit der Werkstatt an der Ecke Mustorstraße/Ostallee: "Das war mein Traum." Der Betrieb seines Vaters lag einst nur wenige Meter weiter in der Großen Eulenpfütz, wo Werner Schäfer "im Schatten des Doms" das Licht der Welt erblickt hatte. Dort ging er mit 14 Jahren bei seinem Vater in die Lehre. Inmitten der Stadt fühlt der "Trierer Jung" sich wohl und das nicht nur, weil er hier schon immer lebte, sondern auch wegen der Nachbarschaftsnähe. Das selbst geschmiedete Tor steht meist weit offen. Die "alten Damen aus dem Ostviertel" kommen mit einem gebrochenen Löffel zu ihm oder der Hausmeister von nebenan mit einer kleinen Reparatur und zwei Flaschen Bier. In einigen Jahren oder Jahrzehnten wird die Familientradition beendet sein. "Ich bin der letzte Schmied in der Familie", sagt Werner Schäfer. Doch über handwerklichen Nachwuchs brauche er sich keine Sorgen zu bereiten: "Spezielle Handwerksberufe sind wieder gefragt. Es muss eben eine Arbeit sein, die nicht jeder macht."

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