Der schnelle Tankwart von Niahuru

Beim Trierer Silvesterlauf ist Dieter Baumann noch nie gestartet. Doch zwei Tage vor dem 20. Jubiläumslauf war der 5000-Meter-Olympiasieger von 1992 nun in Trier - in einer unbekannten Rolle. Im ausverkauften Chat Noir präsentierte der Schwabe sein Kabarettprogramm.

 Iss' mal was Gutes: Dieter Baumann baute auch viel Lokalkolorit in sein Kabarettprogramm ein. Hier muss der Sirzenicher Läufer Guido Streit Baumanns Weizenbrei probieren. TV-Foto: Björn Pazen

Iss' mal was Gutes: Dieter Baumann baute auch viel Lokalkolorit in sein Kabarettprogramm ein. Hier muss der Sirzenicher Läufer Guido Streit Baumanns Weizenbrei probieren. TV-Foto: Björn Pazen

Trier. Olympia-Gold und Zahnpasta - mit diesen beiden Begriffen assoziiert auch der läuferische Laie Dieter Baumann. Erst der Sensationssieg 1992 in Barcelona, dann 1999 die Doping-Sperre, nachdem eine verbotene Substanz in seiner Tube "Elmex" gefunden worden war. Beides integrierte der heute 44-Jährige locker-leicht und unterhaltsam in sein Kabarettprogramm "Körner, Currywurst, Kenia", das er mit viel Lokalkolorit am Dienstagabend im Chat Noir in Trier aufführte.

Sirzenicher Läufer Guido Streit bekommt sein Fett weg

Der Fernseh-Kommentar zu seinem Olympiasieg eröffnete das Programm akustisch, die Manderscheider Läuferin Tina Marxen erhielt später als Geschenk eine Tube Zahnpasta, weil sie beim allgemeinen Pulsmessen im Saal den höchsten Wert hatte. Wer Baumann bisher nur von der Laufbahn kannte, war überrascht vom kabarettistischen Talent des Schwaben, der Ende der 80er Jahre in die afrikanische Läuferphalanx eingedrungen war. Viele Anekdoten, Histörchen und Geschichten aus seiner Laufkarriere gab Baumann dem überwiegend aus Läufern bestehenden Publikum zum Besten. Zum Beispiel, dass er in Fahrstühlen und von Taxifahrern stets schief angeschaut werde: "Der Baumann wird ja wohl auch laufen können." Nach seiner erfolgreichen Karriere mit zahllosen Titeln, Rekorden und Medaillen läuft Baumann heute nur noch zum Spaß. Und den hatten auch die Zuschauer im Chat Noir, die der "weiße Kenianer" immer wieder ins Programm integrierte, zum Beispiel mit gemeinsamen Laufübungen und anschließendem Pulsmessen.

Auch über die regionale Laufszene war Baumann bestens informiert, sein "Lieblingsopfer" war der Sirzenicher Guido Streit, mit dem er schon gemeinsam trainiert hatte. Immer wieder wurde Streit gefoppt - sein Puls war zu hoch, seine Ernährung falsch. Als Dank erhielt der Sirzenicher einen Baumannschen Trainingsplan für seinen nächsten Marathon. Der ehemalige Spitzenläufer nutzte sein unterhaltsames, teilweise aber fachspezifisches Kabarettprogramm auch pädagogisch: "Lauft dreimal die Woche zehn Kilometer, und ihr werdet richtig alt!" Als Beispiel für Sportler-Ernährung packte er seine alte Getreidemühle aus, und Guido Streit musste den selbst gemachten Weizenbrei probieren. "Körner statt Currywurst" - dieses Motto war Baumann schon als junger Läufer eingetrichtert worden. "In den letzten zehn Jahren habe ich 600 Gramm zugenommen." Die meisten Lacher erntete Baumann aber bei seinen sehr persönlichen, selbst-ironischen und bildhaften Anekdoten aus seiner Karriere. Vor allem sein Trainingslager im kenianischen Dorf Niahuru hinterließ bleibende Erinnerungen. Baumann war in Topform und mitten in der Olympia-Vorbereitung. Er startete um 17 Uhr seinen Trainingslauf, als sich plötzlich der Tankwart von Niahuru dazugesellte. Obwohl der "weiße Kenianer" das Tempo immer weiter erhöhte, blieb der Tankwart immer neben Baumann. "Ich laufe nach Feierabend immer nach Hause", erklärte der Tankwart dem verdutzten und mittlerweile atemlosen Baumann.

Überholt von "ganz normalen Kenianern"



Und der war noch frustrierter, als er zu einem örtlichen Ausscheidungsrennen eingeladen wurde, an dem mehrere Olympiasieger, aber auch "ganz normale" Kenianer teilnahmen. Baumann wurde auf den zwölf Kilometern immer weiter durchgereicht und beendete das Rennen schließlich als 84. von 150 Läufern. Die Ernüchterung wurde noch größer, als er beim Abendessen vom Koch erfuhr, dass dieser 79. geworden war. "Immerhin war ich aber noch drei Plätze vor dem Tankwart", meinte Baumann.

Positiv war für ihn hingegen das Treffen mit dem somalischen Spitzenläufer Abdi Bile in einer Schiffskabine. Als ihn dieser beim Biertrinken erwischte, mahnte Bile: "Kein Alkohol mehr, und du gewinnst bei Olympia eine Medaille." Der Schwabe beherzigte den Rat und gewann in Seoul 1988 Silber über 5000 Meter.

Zum Schluss des zweistündigen Programms rechnete Baumann mit der heutigen "Lauf-Industrie" ab. Weder Nasenpflaster noch Stützstrümpfe noch Energieriegel noch Kopfmassagebesen habe man zu seiner Zeit gebraucht, um erfolgreich zu laufen. ma/dr

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort