Des Widerspenstigen schwierige Zähmung

PFALZEL. Er ist etwa vier Tonnen schwer und rund 13 Meter hoch. Er steht auf dem Hauptmarkt und weist in all seiner Pracht auf das nahende Weihnachtsfest hin. Und er hat einige Menschen Nerven gekostet. Die Rede ist von der edlen Douglasie, dem offiziellen Weihnachtsbaum der Stadt Trier.

Als Rainer Haag vom Schulamt am Mittwoch gegen 15 Uhr bei Irene und Bernd Strieker in der Pfalzeler Ringstraße klingelt, sieht alles nach einem Routine-Einsatz aus. Seit 15 Jahren ist der Stadtverwaltungs-Mitarbeiter zuständig für die Beschaffung der Hauptmarkt-Tanne. "Den Job habe ich in meiner Zeit beim Hochbauamt vom Vorgänger geerbt und mitgenommen in die Schulverwaltung", berichtet der 56-Jährige.Zusammen mit Mitarbeitern der Firma Kremer & Schneider ist er nach Pfalzel gekommen, um die "traumhafte Douglasie" in Striekers Garten zu fällen, in die Stadt zu verfrachten und in Triers "guter Stube" als adventliche Zierde aufzustellen. Routine eben. Alle Jahre wieder ein Einsatz von rund fünf Stunden: "Fällen 15 Uhr, Aufstellen etwa 20 Uhr - so war immer der Zeitrahmen", erzählt Haag.Doch die Striekersche Douglasie, vor 25 Jahren als Weihnachtsbaum in den Familien-Garten gepflanzt, will sich mit diesem Plan nicht anfreunden. Jedenfalls stellen die Fachkräfte schon nach kurzer Zeit fest, dass der Baum doch bedeutend schwerer ist als angenommen. Statt der geschätzten 2,5 Tonnen wiegt das Prachtexemplar von Weihnachtsbaum stolze vier Tonnen.Die erste Hürde für Tannenbaum-Beschaffungs-Experten Haag: Der bestellte Kran der Firma Steil reicht nicht aus, um den Baum über das Haus auf die Straße und den Transporter zu hieven. Also muss ein zweiter Kran her. Das bedeutet Zeitverlust und eine erste Nervenprobe für Rainer Haag.Als das Nadel-Monster schließlich auf der Straße liegt, wird schnell deutlich, dass es mit noch 18 Metern viel zu hoch und zu schwer ist. Scheibe um Scheibe geht es der Douglasie an Stamm und Äste. So lange, bis sie auf den Lader passt, der für den Transport bereit steht.In Pfalzel ist der Tannenbaum inzwischen längst zur Attraktion geworden: Kinder bestaunen ihn und die Arbeiten rundherum. Erwachsene bleiben stehen, fachsimpeln und nehmen dankbar die abfallenden Zweige mit. Irene und Bernd Strieker verfolgen ihre Baum-Aktion mit Spannung. Längst müssen auch die Stadtbusse aus der "Tannenstraße" fern gehalten und umgeleitet werden.Und Rainer Haag befällt zunehmend das Grauen. "Schließlich bedeuten diese Verzögerungen ja auch Kosten für die Stadt", sagt er und gesteht ein, diesen Baum unterschätzt zu haben. "Noch nie habe ich so ein Fiasko erlebt, noch nie in der Beurteilung so daneben gelegen."Um 22.20 Uhr sieht es nach dem Ende der - wie der Schulamts-Mann es nennt - "kompletten Katastrophe" aus. Die Männer von der Polizei-Inspektion Trier kommen, um den "Begleitschutz" auf dem Weg über Römerbrücke und Verteilerkreis Nord Stadt zu stellen. Thomas Lorig, Polizei-Oberkommissar und verantwortlich für diesen Schwertransport, stellt klar, dass sofort angehalten werde, wenn es ein noch so kleines Problem gebe. "Schließlich geht es um die Verkehrssicherheit."Die anstrengende Reise des großen Baums

Und wenn schon mal der Wurm drin ist, dann kommt das nächste Problem bestimmt. Im einem schwierigen Kreuzungsbereich wirft der Fahrer des Transports entnervt das Handtuch: Ein Ersatzmann muss ran.Erst um 23.20 Uhr ist alles überstanden: Der Baum hat seinen Bestimmungsort erreicht.Davon bekommen die Striekers nicht mit. Sie sortieren noch amüsiert die Tagesereignisse. Obwohl sie auch ein wenig traurig sind, dass die tolle Tanne nun nicht mehr in ihrem Garten steht. "Also ich gehe auf jeden Fall an Heiligabend auf den Hauptmarkt, um mir unseren Baum anzuschauen", kündigt Tochter Karin (31) an. Schließlich will sie unbedingt wissen, ob in diesem Jahr ihre Geschenke wie immer unter der Douglasie liegen.Rainer Haag wird es in den nächsten Wochen nicht auf den Hauptmarkt ziehen. Der Baum hat ihm zu viele Nerven geraubt. Und ob er je wieder für den Weihnachtsbaum zuständig sein möchte? "Wenn Sie mich heute fragen: sicher nicht! Also fragen Sie bitte in einigen Wochen noch mal."

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