"Deutschland ist meine zweite Heimat"

TRIER/IGEL/KONZ. Seit 21 Jahren lebt der Vietnamese ChiTai Nguyen in Europa, seit 15 in der Region. Nun soll der 46-Jährige in ein Land zurück, das er 1985 im Alter von 24 Jahren verlassen hat.

ChiTai Nguyen ist der Stress der vergangenen Tage anzusehen. Er habe nicht schlafen können, wegen "böser Träume", und er habe keine Lust mehr zu essen, sagt er. Der Grund für seine Niedergeschlagenheit ist die Abschiebung nach Vietnam, die ihm unmittelbar bevorsteht - in ein Land, in dem er niemanden mehr kennt. "Meine Eltern sind schon lange tot", sagt Nguyen. Familienangehörige, zu denen er noch Kontakt habe, gebe es ebenfalls nicht. Kein Wunder, ChiTai Nguyen hat Vietnam bereits 1985 verlassen. Er habe die Freiheit gesucht, insbesondere die Religionsfreiheit, erzählt Nguyen. "Meine Familie war katholisch und wurde von der kommunistischen Partei schlecht behandelt." Als Gastarbeiter in die Tschechoslowakai zu gehen, war für ihn ein Ausweg aus der misslichen Lage. Doch 1991, nach sechs Jahren Arbeit in einer Autofabrik, hätte er nach Vietnam zurückkehren müssen. Das wollte der mittlerweile 31-jährige Mann nicht und wählte den Weg über die "grüne Grenze" nach Deutschland, wo er Asylantrag stellte. Nach Trier kam Nguyen über die Aufnahmestelle für Asylbewerber in Ingelheim. An der Mosel verlief sein Leben in geregelten Bahnen - trotz der im Hintergrund schlummernden Drohung, er werde Deutschland verlassen müssen. Sobald er arbeiten durfte, suchte sich ChiTai Nguyen einen Job: Zunächst arbeitete er bei verschiedenen Firmen im Lager, dann machte er sein Hobby Kochen zum Beruf: Er nahm eine Stelle in einem China-Restaurant in Trier an. Inzwischen ist Nguyen in einem Restaurant in Konz angestellt. "Mit einem unbefristeten Vertrag", sagt er. Eine bis zum kommenden Jahr gültige Arbeitserlaubnis hat er ebenfalls. Den Job hat er nicht ohne Grund bekommen: Nguyen sei ein guter, zuverlässiger Mitarbeiter, den er nicht verlieren wolle, sagt der Chef des Lokals, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. In Trier und Umgebung hat sich Nguyen gut eingelebt. Zwar habe er keine Familie, dafür aber engen Kontakt zu Freunden aus Vietnam und zu seinen deutschen Arbeitskollegen, erzählt er. Außerdem hat er beim Multikulturellen Zentrum in Trier mitgearbeitet. "Vietnam ist mein Vaterland, aber ich habe keinen Kontakt mehr dorthin", sagt Nguyen. "Deutschland ist meine zweite Heimat." Für seinen Aufenthalt in Deutschland musste der Vietnamese allerdings kämpfen. Drei Asylverfahren endeten zu Ungunsten von ihm, ebenso wurden Petitionen an den Bürgerbeauftragten abgelehnt. Auch die Härtefallkommission in Rheinland-Pfalz entschied nicht zu seinen Gunsten.Kreisverwaltung sieht keinen Spielraum

Bei der Kreisverwaltung Trier-Saarburg, zu der die für Nguyen zuständige Ausländerbehörde gehört, sieht man sich nicht in der Verantwortung. Es gebe keinen Spielraum, Nguyen nicht abzuschieben, sagt Pressesprecher Thomas Müller. "Trotzdem macht das unserer Ausländerbehörde keinen Spaß." Das Grundproblem in diesem und ähnlich gelagerten Fällen sei eine "überlange Verfahrensdauer". Dabei wüssten die Betroffenen grundsätzlich, dass sie keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung hätten. Der Fall sei aber "ein sehr gutes Beispiel, dass eine Altfall-Regelung geboten wäre". Eine derartige Regelung gibt es bereits - nur ChiTai Nguyen nützt sie nichts. Nur Personen, die vor 1990 eingereist sind, können nach Beschluss der Innenministerkonferenz von 1999 eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Nguyen hofft nun darauf, doch noch aus humanitären Gründen in Deutschland bleiben zu dürfen. Nach Informationen seines Anwalts haben zahlreiche in Rheinland-Pfalz lebende, nach dem Stichtag eingereiste Vietnamesen eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Außerdem hofft er, dass der Stress, dem er ausgesetzt ist, bald ein Ende hat: "Man kann einen Menschen nicht so grausam behandeln."

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