Die "Blume der Wohnheime"

TARFORST/KÜRENZ. Standleitung ins Internet, eigene Kneipe, Klavier- und Fernsehraum, Hausmeister auf Abruf, Kantine in Steinwurfweite, Grillplatz, internationales Flair - neben dem ehemaligen französischen Hospital, dem jetzigen Geographiegebäude der Trierer Universität, leben 300 junge Leute ein studentisches Luxusleben - mit ein paar Schattenseiten.

Gelb, rot und weiß thronen die sechs frischesten Blüten standardisierter studentischer Wohnträume auf einem 18 000 Quadratmeter großen Gelände vor dem verwelkten Landesgartenschau-Gelände. "Wir haben unser Reich die Blume der Wohnheime getauft", erzählt Petrisberg-Mieter Sebastian Becker beim Blick auf die modernen Flachbauten, vier Stockwerke hoch, 17 Zimmer pro Flur. Der Jurastudent lenkt im neunköpfigen Heimrat die Geschicke der - wie er sagt - "304er-WG" mit. Dabei bevölkert die Masse der Jungakademiker autarke Wohn-Mikrokosmen in immergleichem gelb. Begegnungsraum gebe es trotzdem genug - auch mit den fast 100 Uni-Ausländern die das Studierendenwerk strategisch über den Petrisberg streut.Nah zu Uni und Dauerbaustellen

"Bis vor vier Stunden wurde hier noch gefeiert", sagt Heimratsmitglied Christoph Both durch die zigarettenkippenschwere Luft im Gemeinschaftskeller. Die selbst gezimmerte Theke glänzt schon wieder, die Couchgarnitur ist sauber wie bei Mutti, nur die Aschenbecher im Kicker sind noch knüppelvoll. "Mittwochs machen wir Kino-Abend mit dem Studentenwerk-Fernseher", erklärt der 24-Jährige, "und einmal im Semester internationale Party mit Spezialitäten". Er zeigt eine weiße Bilderbuchküche, in der kulinarische Gemeinschaftsphantasien ausgelebt werden können - besser als auf den zwei Herdplatten im Entree der 19-Quadratmeter-Einzelappartements. "Um 12.15 Uhr ist ohnehin tägliches Treffen an den weißen Steinen draußen, um im Tross rüber in die Mensa zu gehen", beschreibt Geographiestudent Daniel Leschkowski einen Wohnheim-Usus. Als Mieter der ersten Stunde war er "hier vor vier Jahren noch über asphaltlose Wege angehubbelt". Mittlerweile sei man als "Bergstudi" jedoch gut versorgt: Geschützte Parkplätze satt, wind- und wetterfester Fahrradstall, die neue Linie 4 und der Extra-Schlenker der 83 machten das Leben fast so angenehm wie virtuelle Spaziergänge per 100-Megabyte-Festleitung ins Internet oder der Sprung "quasi aus dem Bett in den Geo-Hörsaal nebenan". "Wir leben hier mitten im Kern eines dynamischen, sich neu entwickelnden Stadtteils", befindet der 24-Jährige. Fehle nur noch "was zum Einkaufen" und unbedingt eine bessere Verbindung zur Uni. "Wenn es geregnet hat, ist der Fußweg ein einziges Schlammloch", bedauert Studi-Kollege Both. Daneben reizen hinter dem gerade fertigen Grillplatz die Sportanlagen der Landesgartenschau - leider noch hinter Gittern. "Piep, Piep" - dreistimmig machen die jungen Männer das Warnsignal zurücksetzender Bagger nach, als es um das größte Leid am Berg geht: "Der Bau der Landesgartenschau, die Besucher, die Konzerte, die Renovierung des ehemaligen Hospitalgebäudes, neue Einfamilienhäuser nebenan und jetzt ein Bau mitten im Herzen. Wir leben unter Dauerbeschallung", sagt Christoph Both und seufzt. Der neueste Streich werde die Studis auch noch teuer zu stehen kommen: Zwei neue Häuser mit über 100 Plätzen sollen an der Speerspitze zwischen den beiden bisherigen Wohnheimreihen entstehen - die Kosten würden zum Teil auf die Mieten umgelegt. Im Frühjahr sei der erste Spatenstich geplant. "Im Oktober nächsten Jahres würden wir dann aufmachen", sagt Andreas Wagner. Der 37-Jährige ist seit Januar neuer Direktor des Trierer Studierendenwerks und damit hoffnungsvoller Bauherr in schwierigen Zeiten: Wo früher Hunderte Trierer Studierende auf eine gesponserte Unterkunft in einem der sechs vom Studierendenwerk verwalteten Wohnheime gehofft hätten, sei jetzt im Wintersemester erstmals die Warteliste leer. "Aber wir sind immer noch voll ausgelastet", beruhigt Wagner. Er verweist auf eine "kleine Marktanalyse". "Wir liegen gerade hier sehr gut im Wettbewerb mit aller Nähe zur Uni und den angebotenen Möglichkeiten", verteidigt Wagner das rund zehn Millionen schwere Gesamtbauprojekt Petrisberg.

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