Die Blume im Bild riechen

TRIER-SÜD. Still muss es um Alicja Longen (44) sein, wenn sie sich vor ihre Staffelei setzt. Dann geht sie in sich, sucht in ihren Erinnerungen nach Erlebtem, Eindrücken, Gerüchen und Geräuschen, die ihren Bildern, die sie auf die Leinwand bannt, Lebendigkeit und Authentizität einhauchen.

Als die in Danzig geborene Alicja Longen im Jahr 1983 nach Trier kam, konnte sie endlich ihren Traum verwirklichen. In Polen hatte sie als Chemielaborantin gearbeitet. Ein nüchterner Beruf. Doch ihr Herz hing schon immer an der Kunst. Kreativ wollte sie sein. Bereits als Kind habe sie gezeichnet sich vorgenommen, irgendwann mit ihrem Talent auch berufliche Perspektiven zu schaffen, erzählt sie. "Malen, das ist meine Freude", sagt Alicja Longen. Dafür drückte sie noch einmal die Schulbank, machte ihr Fachabitur, um schließlich an der Trierer Fachhochschule ein Kommunikationsdesign-Studium aufzunehmen. "Es war nicht immer leicht", sagt sie, "doch ich hatte immer Spaß daran, zur Schule gehen zu können, zu lernen". Ihr Diplom als Grafikdesignerin erhielt Longen 2002, danach arbeitete sie zunächst bei einer Werbeagentur. Doch die eigene Kreativität richtig zu entfalten, gelang ihr erst als Malerin. An der Europäischen Kunstakademie bildete sie sich weiter und nahm an Studienreisen in die Provence teil. Zunächst zeichnete sie vor allem mit Kohle, seit 2004 arbeitete sie dann auch mit Farbe. Sie verwendet für ihre Bilder Pigmente, mischt ihre Farben und trägt sie "pastos", das heißt: in mehreren Schichten, auf. Eine Technik, der sich vor allem Impressionisten und Expressionisten bedient haben. Dies bewirkt, dass die Bildoberflächen häufig reliefartig erscheinen, Strukturen aufweisen, und die Farbe gleichsam abzublättern scheint. Longen nutzt diese Malweise, um ihren Werken nostalgischen Charme zu verleihen - "Flohmarkt-Charakter", wie sie es nennt. In ihren Stillleben kombiniert sie Gegenstände des Alltags, Früchte oder Blumen mit alten Gefäßen oder Objekten, die sie als Verweise auf die Vergangenheit, ihre eigene Geschichte und Kindheit in Polen oder als Erinnerungen an die Großmutter versteht. Landschaften und Gebäude gehören ebenfalls zu den Motiven von Alicja Longen, die sie auf ihren Reisen in die Provence gesehen und skizziert hat. Wichtig sei es, die Atmosphäre wahrzunehmen und seine Umgebung mit allen Sinnen zu erfahren. Doch auch in Trier findet die Malerin reizvolle Winkel. Während ihres Studiums wählte sie den Frankenturm als Thema einer Semesterarbeit. "Dort habe ich stundenlang gesessen und gezeichnet. Der Frankenturm hat mich sehr fasziniert. Er war so wie meine anderen Motive: alltägliche Gegenstände, die jeder sieht, aber nicht beachtet.""Ich muss im Bild stehen"

Wenn Longen sich vor ihre Staffelei zurückzieht, braucht sie Stille. Malen sei ihr Bedürfnis, sich auszudrücken. "Manche Bilder sind gut gemalt, doch sie sind flach, oberflächlich. Man spürt sie nicht", sagt sie. Damit ein Bild Inhalt, Substanz erhalte, müsse man sich in es hinein versetzen. "Ich muss im Bild stehen, die Straße hören, sehen, spüren, riechen. Und man muss ein Stück von sich im Bild zurücklassen. So bekommt es Geist", erklärt die Künstlerin. Longen hat ihren eigenen Stil gefunden. "Ich interessiere mich für andere Künstler, besuche Ausstellungen. Man muss offen sein für anderes, sich austauschen. Doch ich kopiere nicht. Sich zu vergleichen ist dennoch wichtig, um herauszufinden, wo man steht, und um seinen Weg zu gehen." Ihr Weg soll Longen nach Indien und in den Orient führen. "Frankreich gefällt mir immer noch, doch mich faszinieren die Farben in den orientalischen Ländern, ich stelle mir die Gerüche und die Atmosphäre vor." Bilder von Alicja Longen sind noch bis Ende Januar im Waldracher Rathaus und in Trier in der Wirtschaft "Weinhexe" in der Saarstraße ausgestellt.

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