Die Hölle der Fantasie

TRIER. Mit der Theateraufführung "Jimmy, Traumgeschöpf" setzte die Tufa Trier zum Auftakt des aktuellen Herbstprogramms qualitative Maßstäbe. Das Einpersonenstück, inszeniert und gespielt von Thomas Jutzler, fesselte durch große Intensität.

"Wo ich hingehe, ist es manchmal die Hölle", klingt es aus dem Halbdunkel des großen Saals der Tufa, dann rasen Videosequenzen über eine Projektionsfläche, denen das träge Auge kaum folgen kann. Schemenhaft dringen Bilder von geisterhaften Gestalten, Skeletten und unendlich scheinenden Räumen ins Bewusstsein. Sie schaffen eine beklemmende Atmosphäre, die Ausgangspunkt der verzweifelten Geschichte des Traumgeschöpfs Jimmy ist. Thomas Jutzler verkörpert dieses Wesen, das die Spuren einer von Kämpfen gezeichneten Existenz als Narben sichtbar auf der Haut trägt. Nur halb bekleidet, dadurch umso mehr verletzlich wirkend, beginnt er, fast flüsternd, dem Publikum von seiner Geburt zu erzählen, die sich lediglich im Traum eines alternden Generals abspielte, der Jimmy als Vorstellung eines jungen schwulen Friseurs erschuf. Der allerdings entwickelt mit der Liebe zu einem Soldaten namens Mitchell ein lustvolles Eigenleben. Doch just im Moment vor der Vereinigung mit Mitchell stirbt der General und damit Jimmys Existenz. Ihm bleibt nichts als Leere, bis ihn eine Schauspielerin in ihren Träumen in verschiedenen Rollen wiederbelebt. Damit beginnt Jimmys Konflikt zwischen Fremdbestimmtheit, Ungewissheit zwischen den Träumen und der Sehnsucht nach einer eigenen Identität. Alle Register künstlerischen Könnens

In Fantasien klammert er sich an seinen Namen, konstruiert sich Herkunft und Aussehen oder hofft auf die Liebe, auf Mitchell. Aber er kann der Gefangenschaft fremdbestimmter Existenz nicht entfliehen. Thomas Jutzler zieht alle Register schauspielerischen Könnens, schafft es mit der Dichte seiner Darstellung das Publikum zum Atemanhalten zu bewegen. Es ist so ruhig im großen Saal, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. Ob er still und gequält im Spiegel nach seinem wahren Gesicht sucht, seiner Verzweiflung in erschütternden, tänzerischen Verrenkungen Luft macht, oder zusammengekauert gen Himmel starrt - er legt einen Bann über die Zuschauer, der erst am Ende des Stücks vom lang anhaltenden Applaus gebrochen wird. Nicht nur körperlich, auch sprachlich, flüsternd, schreiend oder singend schöpft Thomas Jutzler eine große Bandbreite aus. Dazu bereichert er seine Inszenierung mit Videokunst und Musikfragmenten. Eine Aufführung, die nachhallt.

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