Die Krise kommt nicht bis zum Hörsaal

Trier/Athen · Die Trierer Wirtschaftsstudenten Verena Franzen und Niaz Hot tauschen ein Jahr lang die älteste Stadt Deutschlands gegen eine der ältesten Städte der Welt und studieren in Athen. Die griechische Wirtschaftskrise spüren sie nur indirekt.

Trier/Athen. Am Anfang gab es schon Zweifel. "Wirtschaft studieren in Athen - ob das so eine gute Idee ist?" Diese Frage stellten Freunde und Familie den Trie rer BWL-Studenten Verena Franzen und Niaz Hot, als die beiden ein Erasmus-Stipendium der Europäischen Union für ein Austauschjahr in der griechischen Hauptstadt ergatterten. "Aber Athen hat auch versprochen, spannend zu werden. Wegen der Krise", sagt Verena Franzen.
Das Land hängt am Kredittropf der EU und muss sparen. Seit drei Jahren schrumpft die Wirtschaft, viele Griechen verdienen weniger oder verloren ihren Job. Die Arbeitslosenquote stieg nach Angaben des Europäischen Statistik amts Eurostat von 7,4 Prozent im Mai 2008 auf rund 20 Prozent. Gleichzeitig erhöhte die Regierung die Steuern. Im September wurde etwa die Mehrwertsteuer im Gastgewerbe von 13 auf 23 Prozent angehoben. "Auf einmal wurde das Mensa-Essen teurer", erinnert sich Verena Franzen. "Für die Griechen, die auch von Kürzungen betroffen sind, ist das hart", sagt Niaz Hot. Auch griechische Studenten spüren die Folgen der Krise, wenn Heizungen nicht mehr funktionieren oder manche Kurse nur noch von fachfremden Dozenten gehalten werden.
Austauschstudenten an der Athener Wirtschaftsuniversität haben diese Probleme jedoch nicht. Ihre Kurse besuchen sie in einem separaten Gebäude. "Auf der einen Seite ist das blöd", sagt Franzen. "Andererseits streiken die griechischen Studenten ziemlich oft." Durch die Trennung werde sichergestellt, dass die Erasmus-Studenten ihre Kurse besuchen und die Prüfungen ablegen können. Kontakt zu Griechen haben sie trotzdem, schon allein, weil sich Athener Studenten um die Besucher kümmern und alle gemeinsam feiern. Ressentiments gegen Deutsche haben die beiden Trierer dabei allen populistischen Medienberichten zum Trotz nicht gespürt. "Wir machen eher Scherze. Ich behaupte dann, ich würde Merkel anrufen und sagen: Es gibt kein Geld mehr!", erzählt Niaz Hot. "Die Griechen lachen dann auch."
Die Entscheidung, ein Jahr nach Athen zu ziehen, bereuen die beiden nicht. "Nach drei Tagen wusste ich: Das wird schön", sagt Niaz Hot. Verena Franzen ergänzt: "Mein Bild des Landes hat sich zum Positiven entwickelt, nicht nur wegen der Landschaft, sondern auch durch den Kontakt zu den Menschen." Auch fachlich besteht kein Grund zur Sorge: Schließlich werden überall dieselben Wirtschaftstheorien gelehrt.

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