Die Leiden des Martin L.

TRIER. "Du solltest nicht mehr trinken, als du vertragen kannst!" Hämischen Bemerkungen wie dieser sieht sich der 63-jährige Martin Loch bei seinen mit viel Mühe und hohem Energieaufwand realisierten Spaziergängen ständig ausgesetzt. Denn sein Bewegungsablauf mutiert bisweilen ins Groteske - Martin Loch leidet an der Parkinsonschen Krankheit.

Im Alter von 51 Jahren befiel ihn ein Zittern der rechten Hand, das ihn veranlasste, einen Neurologen aufzusuchen. Die Diagnose traf den stadtbekannten Bestattungs-Unternehmer unvorbereitet: "Sie sind an Parkinson erkrankt. Darüber müssen Sie sich im Klaren sein: Ihr Geschäft können Sie nicht mehr weiterführen." "Wollen Sie es haben?", entfuhr es spontan dem mit der ärztlichen Feststellung zunächst Überforderten. Nach zwei Jahren im Spannungsfeld zwischen Mut, Hoffnung und Verzweiflung musste Martin Loch einsehen: Er kann dem traditionsreichen Trierer Geschäft nicht länger vorstehen. Eine kaum mehr überschaubare Serie von Behandlungen - unter anderem in der Spezial-Klinik für Parkinson-Kranke in Bad Laasphe/Siegerland - säumte seinen Leidensweg. Immer wieder andere Medikamente sollten die Auswirkungen der bisher unheilbaren Krankheit lindern. Denn "Morbus Parkinson" entsteht durch eine Stoffwechselstörung im Zentralen Nervensystem - wenn der Überträgerstoff Dopamin nicht mehr in ausreichendem Maße im Gehirn gebildet wird. Die Produktion der erforderlichen Menge Dopamin gewährleistet die Übertragung von Signalen, die die Bewegungsabläufe steuern. Ist die Herstellung eingeschränkt, hat dies negative Folgen für den gesamten Körper, auch auf das vegetative Nervensystem und für die Psyche. "Morbus Parkinson" nahm im Laufe der Jahre Besitz von weiteren Körperteilen des Trierer Geschäftsmanns. Nach dem willentlich nicht beeinflussbaren so genannten Tremor der rechten Hand befiel das Zittern beide Beine. Ständig stolperte und fiel der damals 55-Jährige. "Die Beine sind etwas später stehen geblieben, und der Oberkörper wollte weiter", sagt Martin Loch. Die Folge: erneute Stürze. Schmerzhafte Dauerverkrampfungen veränderten auch seine Geh-Bewegungen - Martin Loch macht seither immer kleinere Schritte, die sich als nahezu nicht kontrollierbares Trippeln darstellen. Parallel dazu ließ seine Geschicklichkeit nach, und das Reden verlangsamte sich. Schließlich nahm die Krankheit den gesamten Körper in Besitz. Martin Loch war nicht mehr in der Lage zu schreiben, konnte kaum noch lesen ("alles ist verschwommen"), und seine Stimme versagte ihren Dienst. Er folgte dem Rat seiner Logopäden und ging mit unbändigem Willen gegen den Verlust der Stimme an. Er ließ sich nicht unterkriegen und setzte seine aktive Tätigkeit im MGV Concordia Trier-Kürenz fort. Bei Proben und öffentlichen Konzerten nimmt er Platz auf einem Stuhl und singt mit - als Tenor. "Die Concordia-Sänger helfen mir enorm viel", freut sich Martin Loch. Sie holen ihn zu Hause ab, fahren ihn zur Probe und bringen ihn wieder zurück. Das sind die Stunden, in denen er seine heimtückische Krankheit beinahe vergisst. Doch die schubweise, unregelmäßig auftretenden Verschlechterungen rufen ihn in die grausame Wirklichkeit zurück. Ihm ist es kaum mehr möglich, seine Wohnung zu verlassen, um durch seine geliebte Heimatstadt Trier, auf den Stock gestützt, zu trippeln. Das geschieht nicht ohne Risiko. Ungewollte Stopps auf dem Zebrastreifen

Bisweilen erstarrt er ruckartig in seiner Bewegung. Tritt diese Erscheinung unvermittelt beim Gehen auf, kann sich Martin Loch nicht mehr vom Fleck rühren - egal, wo er sich gerade befindet. Mehrmals ist ihm dies mitten auf dem Zebrastreifen passiert. Bislang haben die Autofahrer die schlimme Situation richtig eingeschätzt und verständnisvoll reagiert. Ganz anders Männer und Frauen im Alter "so um die 30", die ihn "anpflaumen und anpöbeln", weil sie ihn für betrunken halten. Martin Loch fürchtet solche Situationen; er empfindet sie als deprimierend und entwürdigend. Sein Wunsch: "Macht mich bitte nicht an." Obwohl seine "Lebensqualität gleich Null geworden" ist, lässt er sich nicht unterkriegen. Zusätzlichen Auftrieb erfährt er in der Selbsthilfegruppe, die sich regelmäßig im Bürgerhaus Trier-Nord trifft.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort