Die Macht der 19 Stadtteile

Trier · Seit fünf Jahren kämpfen die Ortsbeiräte um ein größeres Mitspracherecht. Jetzt ist ein Erfolg in Reichweite.

Trier Bevormundung, Blockade, Ignoranz: Diese Vorwürfe erhob der Ortsbeirat Heiligkreuz 2012 gegen das Rathaus und versandte einen Brandbrief, der eine stärkere Einbringung der Ortsbeiräte in den kommunalpolitischen Entscheidungsprozess forderte. Das liegt fünf Jahre und eine Legislaturperiode zurück, doch erst jetzt - am Donnerstagabend - fasste der Steuerungsausschuss einen konkreten Beschluss: Mit zwölf gegen drei Stimmen bei zwei Enthaltungen hat der Ausschuss eine Neufassung der Trierer Hauptsatzung beschlossen.Die Neuerungen betreffen die Ortsbeiräte. In den neu gefassten Paragrafen 5 (Ortsbeiräte) und 6 (Aufgaben und Rechte der Ortsbeiräte) stehen viele Punkte, die im Aufruf zur Revolution 2012 gefordert worden waren. Damit ist dieses Papier, das am kommenden Mittwoch auf der Tagesordnung des Stadtrats steht, der erste schwarz auf weiß feststehende Erfolg einer langen Entwicklung.Es ging vor fünf Jahren darum, im politischen Entscheidungsprozess eine stärkere, zentralere Rolle zu spielen - vor allem in zentralen Steuerungselementen wie den Bebauungsplänen und dem Flächennutzungsplan. Viele Ortsbeiratsmitglieder und Ortsvorsteher fühlten sich damals ausgeschlossen und abgehängt, da derart wichtige Themen für die Ausschüsse und den Stadtrat reserviert waren und das System keine enge Einbindung der Stadtteile vorsah.In der neuen Satzung heißt es in Paragraf 5 Absatz 2: "Der Ortsbeirat ist zu allen wichtigen Fragen, die den Ortsbezirk berühren, vor der Beschlussfassung des Stadtrates oder des zuständigen Ausschusses zu hören. Die Entscheidung des Ortsbeirates wird der Verwaltung schriftlich vom Ortsvorsteher mitgeteilt. Diese Mitteilung wird als Anlage Bestandteil der Vorlage."Paragraf 6 erfüllt weitere Forderungen der in Heiligkreuz gestarteten Initiative. Hier heißt es, die Ortsbeiräte sind zum Entwurf des Haushaltsplanes zu hören, soweit es sich um Ansätze für den Ortsbezirk handelt. Auch "bei der Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bebauungsplänen im Ortsbezirk und wesentlichen Änderungen und Ergänzungen des Flächennutzungsplanes" sollen die Ortsbeiräte angehört werden.Das ist nicht alles. Öffentliche Einrichtungen und Anlagen, Kinder-, Jugend- und Senioreneinrichtungen, Sportanlagen, Erholungs- und Grünanlagen, Kinderspielplätze, Brunnen und Denkmäler - was auch immer in diesen Bereichen geschehen soll, läuft nicht ohne den jeweiligen Ortsbeirat.In einigen Fällen soll das Stadtteilgremium die abschließende Entscheidung fällen. Dazu gehören die Benennung von Straßen und Plätzen, Siedlungen und Anlagen sowie städtischen Einrichtungen wie Kitas und Parks ebenso wie die Unterstützung von Stadtteilfesten.Einen Haken gibt es, und zwar in Paragraf 6 Absatz 4. Dort heißt es: "Der Stadtrat kann unabhängig von den Zuständigkeiten der Ortsbeiräte Angelegenheiten aus gesamtstädtischem Interesse an sich ziehen. Er ist an Beschlüsse eines Ortsbeirates nicht gebunden."Da das Papier eine klare Mehrheit im Steuerungsausschuss gefunden hat, wird auch der Stadtrat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zustimmen. Laut Mitteilung von Baudezernent Andreas Ludwig (CDU) haben alle Ortsbeiräte der neuen Satzung zugestimmt, manchmal wurden kleine Änderungen beantragt. Nur Heiligkreuz hat abgelehnt. "Der Kampf um ein größeres Mitspracherecht geht weiter", sagt Ortsvorsteher Theodor Wolber (CDU).KommentarMeinung

Sinn, Zweck und DurchschlagskraftDie Stadt Trier ist ein Musterbeispiel für die Bedeutung von Ortsbeiräten. 19 Stadtteile, deren Größe und Geschichte enorm unterschiedlich sind, brauchen ein Gremium, das ihre individuellen Interessen vertritt. Sie brauchen konkrete Ansprechpartner vor Ort, die Probleme und Wünsche erfassen und in die politischen Kanäle leiten können. Diese Ansprechpartner haben einen harten Job. Es ist deshalb absolut logisch und verständlich, dass sie sich wünschen, er möge doch bitte Sinn, Zweck und Durchschlagskraft haben. Die neue Hauptsatzung ist ohne Zweifel eine gute Sache und ein richtiger Schritt - wenn sie kein Papiertiger ist. Die Stadtverwaltung und die Ratsfraktionen werden viele Abläufe ändern und optimieren müssen, um die neuen Regeln einzuhalten. Doch dazu gibt es keine Alternative. j.pistorius@volksfreund.de

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