Die Sendung mit der Merkel

TRIER. Wer ist Angela Merkel? Die Kanzlerin, klar. Doch welcher Mensch steckt hinter diesem Namen, wie tickt die mächtigste Frau im Land? Damit beschäftigt sich der Journalist Hajo Schumacher ein seinem neuen Buch, über das er jetzt in der Trierer Buchhandlung Interbook mit Experten diskutiert hat.

Es ist eine ungewöhnliche Buchvorstellung. Autor Hajo Schumacher, der gerade "Die zwölf Gesetze der Macht - Angela Merkels Erfolgsgeheimnis" veröffentlicht hat, liest nicht. Er plaudert. Über Angela Merkels Fähigkeiten als "Integratorin", die viele Differenzen in ihrer Person vereine: die Protestantin in der CDU, die Naturwissenschaftlerin in der Politik, die Frau an der Macht, die Ostdeutsche im Westen, das Landei in Berlin. Schumacher - lange Jahre beim "Spiegel", dann Chefredakteur von "Max", heute freier Journalist - erzählt von Merkels enormem Basiswissen. Rekapituliert, wie sie in der Krise nach der CDU-Spendenaffäre als "unbefleckte Jungfrau" zur Parteichefin gekürt wurde - mit dem Ziel, sie abzusägen, sobald sich die Wogen geglättet hätten. Das Ergebnis entsprechender Versuche: Aus Angst, in der "Merz-Koch-Ecke" zu landen, traue sich derzeit kein Kritiker, den Kopf zu heben. Seine Veröffentlichung, sagt Schumacher, sei kein "Pro-und-Contra-Buch", er zeichne vielmehr ein "Sendung-mit-der-Maus-Bild" Merkels: "Wer ist sie? Wie funktioniert sie?" Die These, Frauen seien die besseren Politiker, hält er für Quatsch. "Politik hat ihre eigenen Gesetze. Es gibt nur erfolgreiche und weniger erfolgreiche Akteure." An diesem Punkt entzündet sich eine lebhafte Diskussion, denn - der zweite ungewöhnliche Aspekt dieser Buchvorstellung - Schumacher sitzt nicht allein vor den rund 100 Zuhörern bei Interbook: Hanns W. Maull, Politik-Professor an der Universität, Jürgen Doetsch, Leiter der Katholischen Akademie und der Leitende TV-Redakteur Dieter Lintz als Moderator sprechen mit dem Autor über sein Buch. "Wie erfolgreich ist Angela Merkel?", will Lintz wissen - und erntet Widerspruch von Maull: "Es ist Unsinn, jetzt schon über Erfolg zu sprechen. Wir wissen noch gar nicht, wie sich ihre Entscheidungen auswirken!" Gegen Kritik von Lintz und Doetsch, Merkel mangele es an Visionen (Lintz: "Kann gute Politik aus handfestem Pragmatismus bestehen?"), verteidigen Maull und Schumacher die Kanzlerin: Wer allzu klar Position beziehe, mache sich angreifbar, sagt der Autor, und Maull argumentiert: "Angela Merkel verhält sich keineswegs immer pragmatisch. Sie hat mit einer radikalen Reformpolitik Wahlkampf gemacht und hätte damit fast gegen eine abgewirtschaftete Regierung verloren." Merkels Problem sei, dass sie nichts darstelle, provoziert Doetsch. "Einmal im Jahr in Bayreuth über den Teppich zu spazieren, reicht nicht." Schumacher kritisiert, viele Männer hätten Probleme, sich inhaltlich mit der Kanzlerin auseinander zu setzen. Und darf sich umgehend bestätigt fühlen: "Hat Angela Merkel eigentlich Berater für ihr Outfit?", will ein Besucher wissen. Eine ganz normale Frage? Wohl kaum, wenn es um einen männlichen Politiker gegangen wäre. Hajo Schumacher: Die zwölf Gesetze der Macht - Angela Merkels Erfolgsgeheimnis. Blessing-Verlag, 16,95 Euro.

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