Die Stille erleben

TRIER. Für die Brüder der Abtei St. Matthias beginnt der Tag um Viertel vor fünf mit einem Gottesdienst. Nur wer seinen wöchentlichen "Ausschlaftag" in Anspruch nimmt, bleibt dem Morgengebet fern.

Es ist eine wohltuende Stille morgens um halb sechs, in der Abtei St. Matthias. Nur hinter den Klostertüren neben dem Kirchengebäude ist bereits leises Leben eingekehrt. Wer durch den Verbindungsflur des Klostertrakts in den Kreuzgang gelangt, sieht im oberen Stockwerk die Lichter in den Zimmern brennen. "Um Viertel nach fünf klopft ein Bruder an jede Tür", erzählt Bruder Johannes später. "Drei oder vier von ihnen stehen auch schon früher auf, um zu beten." Kalt ist es an diesem Morgen, der Kreuzgang spärlich beleuchtet. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass einem um diese Zeit ein Mönch in seinem schwarzen Habit begegnet. Oben im ersten Stock in einem lang gezogenen Saal, dem Dormitorium, kommen die Brüder von St. Matthias morgens zusammen. Dort, wo im Mittelalter die Mönche schliefen, versammeln sie sich von montags bis samstags um Viertel vor sechs zu einem Gottesdienst. Nach und nach kommen die Mönche herein, setzen sich auf die im Karree stehenden Stühle. Zum ersten Mal treffen sie heute aufeinander, doch ein "Guten Morgen" bleibt aus. Vom Abendgebet an bis morgens um Viertel vor acht wird geschwiegen. Der ein oder andere schließt noch einmal die Augen und kehrt in sich. Nur der Regen plätschert von draußen leise an die Fensterscheiben - bis die Glocken von St. Matthias läuten und die 13 Mönche sich erheben. Dann beginnt der Gottesdienst, eine Mischung aus Lesungen und Gesängen. Die Stimmen der Brüder schallen in dem Gewölberaum nach. "Hier können wir den Kompass einstellen für den weiteren Verlauf des Tages", erklärt Bruder Ignatius, Abt des Klosters. Als "sinngebendes Element" bezeichnet Bruder Johannes das Gebet, und für Bruder Daniel ist es wichtig, am Morgen "zuerst den Gedanken an Gott zu richten". Alte und kranke Mönche sind vom Gottesdienst freigestellt. Auch fehlen an diesem Tag zwei andere der insgesamt 20 Brüder, da sie ihren wöchentlichen Ausschlaftag in Anspruch nehmen. Nach dem Morgengebet kommen die Mönche weiter hinten im Saal zu einer Besprechung zusammen und stellen sich im Kreis auf. "Wie steht es heute mit Abwesenheiten?", fragt der Abt. Bruder Simeon geht heute zum Frisör und hofft, zum Mittag zurückzusein. Eine Sitzung des Pfarrgemeinderats, Beerdigungen oder Taufen - hier werden am Morgen die Termine der einzelnen Brüder besprochen. Bruder Daniel, der die Gäste der Abtei betreut und im Klosterladen arbeitet, erklärt kurz, welche Besucher heute an- oder abreisen werden. Bis um neun Uhr werden die Mönche nun Gelegenheit haben, das Frühstück einzunehmen. Ein Bruder hat es an diesem Morgen für die Gemeinschaft vorbereitet, ein anderer wird aufräumen. "Wir verteilen eine Vielfalt von Aufgaben, wie das Kaffeekochen oder den Telefondienst", erklärt Bruder Johannes, der seit 1958 in der Abtei lebt. Wer in das Kloster aufgenommen wird, bleibt sein ganzes Leben dort. Bruder Daniel hat sich in jungen Jahren dazu entschlossen. Er ist 29 Jahre alt und hat auch schon am frühen Morgen für seine Mitmenschen ein Lächeln übrig. "Ich gehöre nicht zu den Morgenmuffeln", sagt er. Als er vor sechs Jahren ins Kloster zog, habe er sich auf den Tagesrhythmus der Brüder eingelassen: "Ich habe es schon damals als wohltuend empfunden, früh aufzustehen", erzählt er. Wer am Morgen schlecht gelaunt ist, dem kann das Mönchsleben geradezu paradiesisch erscheinen. Schließlich gibt es, wie Bruder Johannes es ausdrückt, morgens "einen "Schweigepuffer".

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