Die Verlockung der Äpfel

TRIER-NORD. Manche Lebenswege sind verschlungen, manche verlaufen entlang eines roten Fadens. Der rote Faden im Leben von Norbert Ensch ist die Ordensniederlassung der Vinzentiner in Triers Norden. Seine "Kindheit spielte sich im Schatten des Vincentinums ab", wie er sagt. Heute ist er Leiter des Hauses und der deutschen Provinz.

Der Geruch im Haus, der Schnee im Garten, der Besuch der Christmette im Vincentinum - das sind Kindheitserinnerungen von Norbert Ensch. Auch diese: Vom Hof der Abtei St. Maximin aus haben er und seine Freunde früher versucht, an die süßen Äpfel zu kommen, die in Nachbars Garten, dem der Vinzentiner-Gemeinschaft, wuchsen. "Das Vincentinum war nach außen bekannt, es gab Priester in St. Paulin, aber der Garten war verbotenes Land." Der christliche Glaube war in Enschs Familie "das Natürlich- ste auf der Welt", wurde "sehr geerdet und lebensnah" praktiziert. Norbert Ensch war 15 Jahre lang Messdiener und drei Jahre im Pfarrgemeinderat aktiv. Seinen Eltern und dem damaligen Pfarrer Ernst Vierbuchen "verdanke ich meinen heutigen Beruf". Ein Beruf, der für Ensch auch Berufung ist."Fast ein Weltuntergang"

Doch dem "Ruf" sollte er erst folgen, nachdem er Ausbildung und zehn Jahre Arbeit bei der Post im Zustelldienst absolviert hatte. Dies sei aber keineswegs eine verlorene Zeit gewesen, sagt er. "Ich habe gelernt, mit Menschen umzugehen. Das ist mir noch heute äußerst behilflich", sagt Ensch. Für seine Eltern sei sein Entschluss, einer Glaubensgemeinschaft beizutreten und die Aussicht auf ein sicheres Beamtenverhältnis aufzugeben, "fast ein Weltuntergang" gewesen. "Aber es war mir klar, dass mein Weg da hin führt." Kirche habe er immer als Heimat angesehen, wenn auch nicht kritiklos. Im Alter von 23 Jahren fand er seine neue Heimat im Vincentinum, 24 Jahre ist er nun schon Mitglied der deutschen Vinzentiner-Provinz. "Es war richtig, bei aller Unsicherheit", sagt Ensch im Rückblick. Man müsse sich selbst jedoch immer wieder hinterfragen und sich einen "gesunden Realismus sich selbst gegenüber" bewahren, um nicht die Bodenhaftung zu verlieren. Denn die sei im Umgang mit Menschen wichtig. Glaubwürdig zu sein, selbst an das zu glauben, was man predige, ganz dahinter zu stehen und danach zu leben, sei Aufgabe und Herausforderung. "Vor allem in einer Zeit, in der viel gelogen wird." Norbert Ensch verbrachte 13 Jahre seiner Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Vinzentiner in Lippstadt. Dort arbeitete er als Krankenhaus- und Militärseelsorger. Der "Umgang mit Sterbenden und Kranken hat viel in mir bewirkt, ein tieferes Denken freigesetzt". Menschen in lebensbedrohlichen Situationen zu begleiten, sei nicht nur ein Geben, sondern ebenfalls ein Geschenk. Auch die Zeit bei der Bundeswehr, immerhin neun Jahre, sei eine wertvolle Erfahrung gewesen. "Das Dasein ist das Entscheidende." Feldgottesdienste vor bis zu 600 Soldaten zu halten, gehörte ebenso dazu, wie ein "verschwiegener Gesprächspartner" zu sein. Neue Verantwortung übernahm Ensch Anfang des Jahres 2002, als er zum Provinzial der deutschen Niederlassungen Trier, Niederprüm und Lippstadt gewählt wurde und als Leiter des Provinzhauses nach Trier zurückkehrte. Er bewältigt Personalfragen, Verwaltung und Finanzwesen, trägt die Verantwortung für seine Mitbrüder. Dieser Berg an Aufgaben sei oft nicht einfach zu tragen, aber er biete "die Chance der Gestaltung, der Weichenstellung, mit allen Mitbrüdern die Zukunft zu gestalten". Noch sechs Jahre ist Pater Ensch gewählter Provinzial in Trier. Einen Wunsch hegt der Vinzentiner-Ordinarius, der die Kontakte zu weitaus größeren, ausländischen Niederlassungen, zum Beispiel in Polen und Ungarn, pflegt, heute schon: "Ein Provinzhaus als internationales Haus in Berlin aufzubauen, ist mein persönlicher Traum. Denn Berlin ist das Drehkreuz zwischen Ost und West."

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