"Die deutschen Frauen haben Hitler geliebt"

TRIER. Niklas Frank las in der akademischen Buchhandlung Interbook aus seinem neuen Buch "Meine deutsche Mutter" – eine akribisch recherchierte Abrechnung in Romanform mit seiner Mutter, der Ehefrau des Nazi-Kriegsverbrechers Hans Frank, der 1946 nach den Nürnberger Prozessen hingerichtet wurde.

Mit seinem ersten Buch "Der Vater" hatte Niklas Frank Ende der 80er-Jahre für lautes Rauschen im Blätterwald gesorgt. Als "Beitrag zur Förderung der Menschenrechte", als "unbarmherzige Anklageschrift" war die Biografie bezeichnet worden, in der er seinen Vater, Hitlers "Generalgouverneur von Polen", Hans Frank, gnadenlos porträtierte. Sein neues Buch, ein Roman, ist eine ganz persönliche Abrechnung mit der Mutter, die der heute 66-Jährige in jahrelanger Arbeit im Verwandten- und Bekanntenkreis sowie in den Tagebuchaufzeichnungen von Mutter Brigitte recherchiert hat. Die, so schreibt er, sei eiskalt und rücksichtslos gewesen, habe ihr Leben als Ehefrau einer Nazigröße ausgenutzt, sich in Reichtum und Ansehen gesonnt - ohne Rücksicht auf Verluste und Opfer. Als "Wonneproppenreich" bezeichnete sie Nazi-Deutschland, bereicherte sich an Juden und Polen im Ghetto von Krakau, fühlte sich wie die "Königin von Polen". Dabei war sie nie politisch, fand Aufmärsche und Uniformen "lächerlich". "Meine Mutter hat sich eher am Mundgeruch von Hitler gestört als an den Morden an Juden", sagte Niklas Frank bei der Lesung. Die Auseinandersetzung mit der Familienvergangenheit sei ihm nie leicht gefallen. "Ich habe meine Mutter schrecklich geliebt. Von ihr habe ich gelernt, dass Frauen viel stärker sind als Männer. Der Gefängnispfarrer sagte mir, Niklas, dein Vater hat noch im Gefängnis Angst vor deiner Mutter." Das Buch ist in zwei Strängen aufgebaut, die einander abwechseln: Hans Frank kurz vor seiner Exekution in der Gefängniszelle bei den Nürnberger Prozessen, und Brigitte Frank, geborene Herbst, wie sie den Hans nach zahlreichen Affären kennen lernt, sich verliebt, ihn heiratet, ihm fünf Kinder schenkt, ihn gleichzeitig bedrängt, erdrückt. Von Anfang an war die aus einfachen Verhältnisse stammende Sekretärin an gesellschaftlichem Fortkommen interessiert. Niklas Frank las schnell und distanziert Ausschnitte aus dem Buch. Doch bei der anschließenden Diskussion wurde er emotional, und das großenteils ältere Publikum hatte viel anzumerken. Das musste es auch angesichts kompromissloser Thesen wie "Die deutschen Frauen haben diesen Hitler verdammt noch mal geliebt - in der Masse". Eine ältere Dame erzählt, wie ihre Mutter russische Flüchtlinge im Krieg versteckte und ihnen half. "Solche Leute wie ihre Mutter haben viel geleistet, sind aber keine statistischen Größen", setzte Frank ihr entgegen. Die Vergangenheit lasse ihn nicht los. "Ich bin keine Sekunde von Auschwitz weg. Das waren wir Deutschen, nicht irgendwelche Nazis." Niklas Frank: Meine deutsche Mutter. C. Bertelsmann, 2005, 480 Seiten, gebunden, 22,90 Euro.

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