Die sind cleverer, die Treverer!

TRIER. Es ist im Showgeschäft ein eindeutiges Zeichen für Originalität und Qualität, wenn allein der Name eines Künstlers oder einer Institution zum Synonym einer kompletten Subkultur wird. Wenn in Trier oder Umgebung der Name Heuschreck fällt, ist kein weiteres Wort mehr nötig. Heuschreck ist Karneval und zwar auf höchstem Niveau.

Klaus Baer sieht absolut nicht römisch aus. Man kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die alten Treverer kein blaues Ringel-Nachthemd trugen, keine Zylinder-Parodie auf dem Kopf hatten und auch nicht ständig mit offenem Mund verwirrt in eine ihnen unbegreifliche Welt starrten.Fassungslos mit offenem Mund

Doch auch wenn seine "Doof Nuss" mit dem Motto der ersten Heuschreck-Gala - "Konstantin und die cleveren Treverer" - bricht, ist sie dennoch fantastisch und funktioniert ebenso fehlerfrei wie ein Heinz Becker. Offener Mund, fassungsloser Gesichtsausdruck, Mundart: "Meine Frau hat so viele Haare auf den Zähnen, dass sie sie kämmen kann." Karneval hin oder her: Die "Doof Nuss" wäre allein einen Abend wert. Das Schöne an den Heuschreck-Abenden ist die Gewissheit, nicht nur einen, sondern eine ganze Reihe derartiger Granaten erleben zu dürfen. Das Programm der ältesten und größten Trierer Karnevalsgesellschaft ist so gut, dass es auch außerhalb der fünften Jahreszeit auf jeder Bühne bestehen könnte. Nicht weniger volksnah als die "Doof Nuss", aber politischer gefärbt, ist "Fischer's Maathes". Einem Trierer die Charakteristika von Helmut Haags kultiger Kunstfigur erklären zu wollen, würde bedeuten, Hinkelsteine nach Gallien zu tragen. So mancher politische Würdenträger hat "Fischer's Maathes" schon Vorlagen geliefert und vor deren meisterhaft-mundartlichen Auswertungen in der Bütt gezittert, wofür der Spötter sich auch herzlich bedankt. Etwa bei Helmut Schröer, dem scheidenden Oberbürgermeister. "Es ist jetzt des Narren Pflicht, Dank zu sagen zur letzten Schicht." Und zur Wahl von Schröers Nachfolger: "Desaströs war das Debakel, entgegen jeglichem Orakel." Desaströs war es aus Sicht von Ulrich Holkenbrink, dem gescheiterten CDU-Kandidaten. "Holkenbrink, oh Holkenbrink" sang auch der großartige Heuschreck-Chor unter der Leitung von Stefan May zur Melodie des alten Schlagers "Butterfly" von Danyel Gérard. "Oh, was war'n die Wähler link." Asterix und Obelix mischen normalerweise die Römer auf, und auch die Treverer bleiben nicht verschont. Alexander Houben, Chef vom Dienst des TV, und der leitende Redakteur Dieter Lintz kamen als der Welt berühmteste Gallier. Wer die Sitzung nicht selbst gesehen hat, darf raten, wer den kleinen dünnen und wer den stark gebauten Gallier gespielt hat. Peter Rauen wurde zum Senator Petrus Gasfus, Theater-Intendant Gerhard Weber verwandelte sich in Abonnentus Minus und Ulrich Holkenbrink in "Holkus Debakulus". Man könnte über einen einzigen Heuschreck-Abend Bücher schreiben oder zumindest Sonderausgaben drucken. Sitzungspräsident Harald Reusch - wie immer völlig souverän frei sprechend! - als Seher, Lino und Andrea Ley als schöne Helena und deren moderne Ur-Ur-Ur-Enkelin, die geniale a-capella-Gruppe "Creme fraiche" als römische Boy-Group "hospitium tociotum", Reiner Lübeck als römischer Grenzsoldat, die Leyendecker Bloas, das Nachwuchs-Ballett, Heuschreck-Garde und Ballett, die Winzerkapelle Mehring - immer höchstes Niveau. Gelegentliche Störungen der Funkmikros - gab es etwa einen Anti-Karnevalisten mit negativer Ausstrahlung im Saal? - kratzten nicht am Erfolg dieses Ausnahme-Programms. Heuschreck Halaudi! Fotos, Infos und Termine zur Fastnacht unter:

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