Dixieland, Rock'n'Roll und ein halbes Jahrhundert Freundschaft

Verbotenes war schon immer heiß begehrt bei der Jugend. Jazzmusik, Rock'n'Roll, Treffen von Jungs und Mädels standen denn auch im Vordergrund Ende der 50er Jahre, als die damals Jugendlichen den Charleston Club gründeten. Nun haben sich 50 Ehemalige nach 50 Jahren in Trier wiedergetroffen.

 Die Jazzmusiker von Charleston- und Modern Youth Club sind heute wie vor 50 Jahren bestens aufgelegt (von links): Georg „Schrosch“ Porrio, Hermann Theis, Reinhold Ruhe, Heinz Großman, Rolf Andrack (mit Waschbrett), Peter Thiele und Dieter Kuhnen. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Die Jazzmusiker von Charleston- und Modern Youth Club sind heute wie vor 50 Jahren bestens aufgelegt (von links): Georg „Schrosch“ Porrio, Hermann Theis, Reinhold Ruhe, Heinz Großman, Rolf Andrack (mit Waschbrett), Peter Thiele und Dieter Kuhnen. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Trier. (mehi) Reinhold Ruhe spielt Dixieland auf seiner Posaune, singt zwischendrin. Bis vor die Tür des Cafés Mohrenkopf auf dem Markusberg dringt die Musik. Drinnen herrscht Feierlaune, es wird viel erzählt, viel gelacht. Beschwingt spielt die Band mit Hermann Theis am Bass, wie vor rund 50 Jahren im Keller von Schaabs Villa (heute Polizeipräsidium) oder Porta-Nigra-Hotel. Beide stehen seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Erinnerungen bleiben.

Das alte Foto der Jazzband um Ruhe kursiert. Die 50 Mitglieder - alle knapp unter 70 Jahre - sind ehemalige Mitglieder des Modern Youth- und des Charleston Clubs, die sie als Halbstarke vor 50 Jahren gründeten. "Es gab ja nichts für Jugendliche in Trier", sagt Klaus Peck (67). "Also haben wir selber was losgemacht." Oft mit beiden Cliquen zusammen.

Raus aus den Elternhäusern wollten sie 1959, "wohin, wussten wir nicht", sagt Jochen Reinhold-Tückmantel. "Wir wollten nicht in Kneipen herumhängen", ergänzt Rolf "Animus" Andrack (69) aus Düsseldorf, "sondern kreativ was Eigenes machen." Sie hätten nicht nur Musik gehört, sondern auch gespielt. Besonders Jazz - mit Andrack am Waschbrett. "Die Bands haben wir gegründet, weil die Evergreens (eine ältere Jazzband) uns nicht reingelassen haben", weiß Ruhe (68) aus Mainz. Die Clubs haben aber auch gegeneinander Fußball gespielt, Wanderungen und Fahrten unternommen und getanzt - natürlich Rock'n'Roll.

"Das sollte zunächst kein Tanzclub werden, habe ich gestern Nacht erfahren", sagt Reinhold-Tückmantel. Sondern ein Club zum Diskutieren, Philosophieren, sich über Literatur austauschen. "Aber das hat sich sehr schnell gedreht", fügt der 68-jährige Kölner hinzu. Und doch gab es Lesungen, sogar mit Schauspielern vom Stadttheater.

"Der Rock'n'Roll stand an erster Stelle", sagt Dieter "Diek" Kuhnen, "den haben wir auf Partys gelernt." In der Tanzschule im Porta-Nigra-Hotel wurde nur klassisch getanzt und Boogie Woogie. Er habe aufpassen müssen, dass er die Schritte nicht verwechselte. "Wir hatten mal ein Boot gemietet und sind nach Pfalzel gefahren", erinnert sich der 69-Jährige. Dort wurde getanzt und gejazzed. "Einmal sind wir spielend von der Anlegestelle bis zur Schaabs Villa gezogen, wie die Bands in New Orleans."

Bis Mitte der 60er Jahre hatten die Clubs Bestand. Eine wichtige Zeit für die etwa 20-Jährigen. "Wir haben angefangen zu denken - stromlinienförmig waren wir nicht", sagt Reinhold-Tückmantel. "Es war der Ausgangspunkt für das, was später kam, ein Loslösungsprozess."

Aus dem Tanzclübchen sei ihr Freundeskreis entstanden, erzählt Bärbel Jost. Ein Freund habe zur ihr, damals 16, gesagt: "Wir brauchen Mädels." So hätten auch sie sich regelmäßig in den Clubs getroffen und getanzt. "Das war toll! Aber wichtiger ist mir, was daraus entstanden ist." Nach der Schule hätte ihre Altersgruppe in Trier nur schwer eine Arbeit gefunden. Die 66-Jährige ist nach 36 Jahren zurück in die Heimatstadt gekommen. Noch immer in der Fremde, in Florida, ist Iris Hollis (66), die engen Kontakt zu ihren Freunden von damals hegt. "Wir sind über die gesamte Bundesrepublik verteilt", sagt Jost. "Aber die Freundschaften haben gehalten."

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