Dozierende Dichter und private Poeten

Trier · Beim Poetryslam im Mergener Hof tragen acht Sprachkünstler ihre eigenen Texte vor und kämpfen um den Sieg. Vor allem der Gewinner und der Zweitplatzierte überzeugen das Publikum mit unterschiedlichen Herangehensweisen.

 Der Sieger freut sich – und die Konkurrenten freuen sich mit: Jan Cönig, Sven Hensel und Sven Eric Jansen (von links). TV-Foto: Katharina Hahn

Der Sieger freut sich – und die Konkurrenten freuen sich mit: Jan Cönig, Sven Hensel und Sven Eric Jansen (von links). TV-Foto: Katharina Hahn

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Trier Es ist voll. Und ziemlich warm. Zwischen über 200 atmenden Menschen sinkt der Sauerstoffgehalt beständig. Aber das ist egal, wichtig sind an diesem Abend die Künstler, die im Keller des Mergener Hofs mit Spannung erwartet und frenetisch vom Publikum gefeiert werden. Acht Teilnehmer aus ganz Deutschland treten in zwei Vorrunden und einem Finale gegeneinander an. Auch die Triererin Eileen Davidsohn, Gewinnerin des unmittelbar zuvor stattgefundenen U20-Poetryslams, hat sich mit ihrem Sieg für die Teilnahme an diesem Ü20-Wettbewerb qualifizieren können. Im Finale stehen aber letztlich vier Männer.
Es geht, wie er selbst sagt, um ein glückliches Thema: Beerdigungen. Sven Eric Jansen sieht dabei selbst ein bisschen wie ein Priester aus und intoniert seinen Text passenderweise wie eine katholische Predigt, nur schneller. Atempausen gibt es erst dann, wenn er zur Freude der Zuschauer in breitestem, schnaufendem Kölsch seine tote Oma imitiert. Auch Artem Zolotarov macht die Großeltern zu Protagonisten, aber mit deutlich ernsthafterem Hintergrund. Erzählt von seinen jüdischen Vorfahren und von sich selbst, dem Akzent, dem Status des Fremden, dem Gefühl, für Behörden nur eine Zahl zu sein.
Dem setzt Jan Cönig Humor entgegen. Er doziert über Hektik und Stress und verpackt dabei Themen, die jeder kennt, in amüsante Wortspiele, wenn er etwa entnervt ins Publikum ruft: "Meine Tage sind wie deutsche Urlauber am Ballermann. Einfach zu voll!" Das kommt an. Die Leute brüllen vor Lachen, während sie bei Sven Hensel ganz still werden. Eher klein und leicht pummelig stimmt er ein Loblied auf die Selbstliebe an, sagt von sich selbst, er sei nicht wunderbar, sondern ein Wunderbärchen, lüftet dazu sein Shirt und zeigt seinen Bauch. Doch aus Humor wird fordernder Ernst. Mit schnellen Rhythmen, wenig Atem und komplexem Versmaß offenbart er den Zuschauern seine Homosexualität. Wehrt sich dagegen, ein Schimpfwort oder eine Diagnose zu sein, und resümiert in seinem berührenden Plädoyer: "Man kann keinen heilen, der niemals kaputt war."
Den Sieg fährt trotzdem ein anderer ein. Jan Cönig ist Gewinner des Karl-Marx-Poesiepreises 2017 und gönnt seinem heißapplaudierten Publikum nach gut drei Stunden mit einer Zugabe über starre Geschlechterklischees und einhornreitende Cowboys erneut einen Hauch von Stand-up-Comedy.Extra: POETRYSLAM UND TEILNEHMER


An der 14. Poetryslam Stadtmeisterschaft haben teilgenommen: Eileen Davidsohn aus Trier, Sven Eric Jansen aus Aachen, Artem Zolotarov aus Mainz, Jan Cönig aus Frankfurt, Sven Hensel aus Bochum, Julia Szymik aus Marburg, Sarah Jael aus Euskirchen und Zwergriese aus Köln. Poetryslams entstanden in den 1980er Jahren in Chicago (USA) als neue Form einer spannenden Dichterlesung. Es geht darum, innerhalb von sechs Minuten einen eigenen Text spannend vorzutragen. Bewertet wird zunächst von einer zufällig aus dem Publikum ausgewählten Jury in einem Notensystem von eins bis zehn. Das Finale wird schließlich per Applaus entschieden. In Trier fand die Poetryslam-Stadtmeisterschaft 2017 zum 14. Mal statt. Jan Cönig qualifiziert sich als Sieger für die deutschsprachige Poetryslam-Meisterschaft im November in Hannover und erhält außerdem den Karl-Marx-Poesiepreis.

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