Drahtseilakt der Nerven und Sinne

Fliegende Motorräder, lodernde Flammen, jede Menge PS und Adrenalin: "No Limits!" (keine Grenzen) ist der Titel der neuen Show von Flic Flac, und er passt genau. Die Grenzen einer traditionellen Zirkusvorstellung werden weit überschritten.

Trier. Meterhohe Flammensäulen zerreißen die Dunkelheit. Ein brennender Mann torkelt über die Bühne. Rammstein donnert aus den Boxen: "Es brennt die Hand, es brennt das Haar. Ich brenn' am ganzen Leib sogar." Schon die ersten beiden Minuten der neuen Show rechtfertigen das im Foyer stehende Schild, das empfiehlt, Kinder erst ab zwölf Jahren zu Flic Flac mitzunehmen.Wild ging es schon immer zu beim 1989 von Benno Kastein und Scarlett Kaiser-Kastein gegründeten Zirkus Flic Flac. Der klassische Zirkus, der eher Bilder von lustigen Clowns, Salti am Trapez und Peitschenschwingern in Fantasie-Uniformen und die von ihnen dirigierten Raubkatzen heraufbeschwört, passte von Anfang an nicht auf die visuelle und akustische Achterbahnfahrt, auf die das Ehepaar Kastein seine Zuschauer schickte.Mit "No Limits!" entfernt sich Flic Flac weiter als jemals zuvor vom traditionellen Zirkus. Es gibt keine Manege mehr, sondern eine lange, an beiden Enden offene Bühne, zu deren Seiten das Publikum sitzt. Die Zelt anlage ist die größte ihrer Art, allein die Bühne misst vierzig mal acht Meter.Nach der Schock-Eröffnung darf das Publikum durchatmen und den Puls herunterfahren. Salima Peippo lässt ihre Hula-Hoop-Ringe kreisen und wirbelt das Vertikalseil rauf und runter. Gleichgewichts-Wunder Rob Alton trotzt auf seinem BMX-Rad Physik und Schwerkraft. Doch sofort geht die Adrenalin-Kurve wieder nach oben. Larissa Kastein ist dran. In früheren Flic-Flac-Jahren waren die Töchter des Gründers Benno Kastein die niedlichen Kleinen mit der tollen Handstand-Akrobatik. Heute nicht mehr. Larissa ist mittlerweile 20, eine professionelle Akrobatin, die mit ihrer fetzigen und geschmeidigen Nummer als Wassernixe das Zelt rockt. Plötzlich wird die Bühne zum See

Ihre Schwester Tatjana, 16 Jahre alt, kommt etwas später dran. Die Zeiten der "niedlichen Kleinen" sind definitiv vorbei. Das Wasser für die Nixe kommt aus Düsen am Zeltdach: Über 25 000 Liter verwandeln die Bühne in einen See, der schließlich selbst in Flammen aufgeht. Dafür sorgt Hubertus Wawra, der "Master of Hellfire", Flic-Flac-Pyromane und Showmaster mit bewusst kultiviertem Ost-Akzent.Rammstein sind übrigens immer noch da, sie untermalen das gesamte Programm. "Ich brauche Öl für Gasolin, explosiv wie Kerosin, mit viel Oktan und frei von Blei, einen Kraftstoff wie Benzin." Sechs todesmutige Spanier rasen auf ihren Motorrädern gleichzeitig durch den "Globe of Speed". Ein kleiner Fehler, und das Innere der Stahlkugel verwandelt sich in ein kreischendes Chaos aus Flammen, Metall und menschlichen Körpern. Doch wie immer bringen Mensch und Maschine die Nummer, seit Jahren eine der beliebtesten im Programm von Flic Flac, sicher zu Ende. Ebenfalls Nervenkitzel pur: das dreifache Todesrad. In 14 Meter Höhe springen und fliegen die Artisten derart waghalsig im und auf dem Rad, als ob die Tücken der Schwerkraft eine unbedeutende Nebensächlichkeit wären.Vom einen Ende der Bühne zum anderen fliegen schließlich drei Spanier wie Supermann ihren Motorrädern hinterher und zeigen Stunts über 25 Meter. Eine Kanone schießt den Bulgaren Miroslav Toskov 40 Meter weit quer durchs Zelt. Die Zuschauer sind für eine kleine Atempause dankbar, und die gewährt ihnen Bart van Dyck alias "Barto". Im Stil eines Yoga-Meisters quetscht der Belgier seinen Körper durch einen Kleiderbügel und eine Tonne. Seine Mimik ist dabei ebenso elastisch wie der Rest seines Gerippes.

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