Drogen statt Kraftfutter

Trier · 130 Kilogramm Amphetamine hatte ein Spanier in der Fahrerkabine seines LKW versteckt. Der Zoll schnappte ihn auf der A 64. Das Landgericht verurteilte den Drogenkurier gestern, die weiteren Umstände des außergewöhnlichen Drogenfunds bleiben im Dunklen.

Trier. Der Angeklagte schnieft in sein Taschentuch und wischt sich damit auch die Tränen aus den Augen. Spricht der 55-Jährige von seinen Kindern und Enkeln, versagt die Stimme. Kein abgezockter Drogenkurier, sondern ein Häufchen Elend scheint auf der Anklagebank zu sitzen.
Staatsanwalt Eric Samel lässt sich nicht bestricken. "Der wusste genau was er tut und hat das nicht zum ersten Mal gemacht", vermutet er in einer Prozesspause. "Kein Drogenhändler vertraut einem Unbekannten für eine erste Kurierfahrt 130 Kilo Amphetamine im Wert von bis zu zwei Millionen Euro an." Beweisen kann Samel dem Spanier jedoch nur eine einzige Schmuggelfahrt: Am 20. Mai hatten Beamte des Koblenzer Hauptzollamts den LKW-Fahrer auf der A 64 kurz vor Luxemburg herausgewunken. Wie ein großes Tor sieht das mobile Röntgengerät des Zolls aus, das an diesem Tag auf dem Parkplatz Sauertal aufgebaut ist und durch das der Drogenkurier seinen Laster steuern muss.
Drei Sporttaschen gefüllt mit in Plastiktüten verschweißtem gelblichen, feuchten Pulver finden die Zollfahnder sofort. Drei weitere Reisetaschen vollgepackt mit Amphetaminen entdeckt Spürhund Ayk, eine unter einer Wolldecke hinter dem Beifahrersitz versteckt, zwei weitere in einer Staukiste. Insgesamt sind es knapp 130 Kilogramm Amphetamine - künstlich hergestellte, aufputschende Drogen - mit einem Wirkstoffgehalt von etwa 30 Prozent. "Gute Qualität", sagt Staatsanwalt Samel.
Bei seiner ersten Vernehmung erklärt der Spanier, die Taschen habe ihm ein Zufallsbekannter gegeben, den er in einer Kneipe in Rotterdam getroffen habe. Dass es sich um Drogen handele, habe er nicht gewusst, vielmehr habe er angenommen, die Taschen seien mit Kraftfutter für Kühe gefüllt. Hinter der spanischen Grenze wollte der Zufallsbekannte die Taschen wieder übernehmen.
Bei der Verhandlung vor dem Trierer Landgericht rückt der Angeklagte von dieser wilden Geschichte ab. Seine Verteidigerin, Staatsanwalt Samel und das Gericht ziehen sich zu einem Rechtsgespräch zurück, um einen sogenannten Deal auszuhandeln: Der Angeklagte legt ein Geständnis ab und hilft so, die Verhandlung abzukürzen. Dafür wird ihm ein bestimmter Strafrahmen zugesichert.
Dann geht alles ganz schnell: Statt an den drei eingeplanten Gerichtstagen etliche Zeugen zu hören, ist die Sache binnen zwei Stunden abgehandelt. Der Angeklagte gesteht, was in der Anklage steht. Nämlich die eine Kurierfahrt im Mai. Staatsanwalt Samel fordert acht Jahre Haft, die Verteidigerin auch, das Gericht folgt in seinem Urteil diesem Strafmaß. Der Angeklagte heult. Die Verhandlung ist zu Ende.
Organisiertes Verbrechen


Für wen die Drogen auf dem spanischen Markt bestimmt waren und wer der Auftraggeber war, wird nicht thematisiert. Dabei handelte es sich um den bundesweit größten Drogenfund der vergangenen fünf Jahre. "Hinter einer so großen Menge Drogen in so guter Qualität steckt organisiertes Verbrechen", bestätigt Staatsanwalt Samel im Gespräch mit dem TV. Hätte der verurteilte Drogenkurier als Kronzeuge über seine Auftraggeber ausgepackt, wäre seine Haftstrafe als Gegenleistung wohl deutlich geringer ausgefallen. Der Spanier hätte sich damit allerdings wohl der Rache des Drogenrings ausgesetzt. "Es wäre deshalb auch eine Aufnahme ins Zeugenschutzprogramm mit neuer Identität infrage gekommen - für seine ganze Familie", erklärt Samel.
Stattdessen fahnden Polizei und Zoll nun weiter nach den Hintermännern. Zumindest zwei handfeste Spuren gibt es: An den Plastiktüten, in denen die Amphetamine verpackt waren, wurden DNA-Spuren von zwei unbekannten Männern festgestellt und an die Ermittlungsbehörden in Deutschland und Spanien weitergeleitet.

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