Ducken und kicken

TRIER. Hipp und angesagt sind die akrobatischen Verrenkungen der Capoeira spätestens, seit sie in einem Werbespot für Mobiltelefone und in einem Videospiel zu sehen waren. Dass der brasilianische Tanzkampfsport mehr ist als eine Funsportart, will ein neuer Workshop in der Tufa vermitteln.

"Ginga" tönt es durch den Saal und auf "um, dois, três" versuchen sich zehn junge Frauen und Männer zum ersten Mal im Grundschritt der Capoeira. Meinen rechten Arm mit der Schrittfolge des rechten Beins zu synchronisieren, bereitet mir Koordinationsschwierigkeiten. Doch nach der halben Stunde gnadenlosen Warm-Ups macht der ruhige, fließende Wiegeschritt zu den brasilianischen Perkussionen Spaß. Nun werden neben meiner Beweglichkeit und meinem Rhythmusgespür auch noch meine Reflexe und mein Gedächtnis auf eine harte Probe gestellt: Aus dem "Ginga" heraus werden alle anderen Bewegungen, wie Tritte und ausweichende Haltungen, ausgeführt. Auf die Rufe des afrobrasilianischen Trainers Paulinho "escivas", "au" oder "ponteira" heißt es entweder ducken, kicken oder Rad schlagen."Brasilianische Folklore"

Das führt zu einiger Verwirrung. Mit einem freudestrahlenden "relax!" gönnt uns Paulinho die erste Pause. Für Ko-Trainerin Susanne Mohnhofen ist Capoeira keine Funsportart, sondern brasilianische Folklore. "Die Tradition und Musik der Capoeira darf nicht vergessen werden." Ebenso greife es zu kurz, Capoeira als neue Selbstverteidigungs-Sportart für Frauen zu verkaufen. Die Wurzeln des brasilianischen Sports vermitteln kann der Trainer Paulinho. Der Afrobrasilianer aus Salvador da Bahia macht seit 13 Jahren Capoeira und hat sich den Titel "Professor" verdient. Seit einem halben Jahr gibt er in Trier zwei Mal in der Woche einen Capoeira-Kursus im Exhaus. Capoeira ist im Heimatland Brasilien neben Fußball eine der beliebtesten Sportarten. Entstanden ist der Kampf-Tanz im 16. Jahrhundert unter den afrikanischen Sklaven, die ihr Körpertraining mit Musik als Tanz tarnten.Jeden Sonntag in der Tufa eine "roda"

Mit "Samba Tormenta", einem Mitgliedsverein der Tufa, wollen die beiden nun verstärkt in der Tufa Kurse anbieten. Ralf Döss von der Percussions-Gruppe "Samba Tormenta" will jeden Sonntag in der Tufa eine "roda", also ein Capoeira-Spiel, veranstalten. Während wir uns in einen Kreis setzen, spielt Paulinho die "Berimbau", ein Saiteninstrument. Unser Part ist es, ihn mit refrainartigen Sprechgesängen auf Portugiesisch zu begleiten. Aus den europäischen Kehlen dringt das "zum, zum, zum capoeira mata um" nur zaghaft. An den rituellen Sprechgesängen, die den Sport begleiten, kommt keiner vorbei. Susanne und Carsten stehen sich gegenüber. Sie gehen in die Hocke, reichen sich die Hand und schlagen ein "au", ein Rad. Die Körper der beiden "Spieler" dürfen sich im "Kampf" nicht berühren. Sie umkreisen sich tänzelnd: Sie spielen, sie necken sich. Ziel ist es, gut zusammen zu spielen und nicht als Gewinner hervorzugehen. Die Vieldeutigkeit des Sprechgesangs "zum, zum, zum capoeira mata um" erschließt sich mir am nächsten Tag, als der Muskelkater stündlich stärker wird: Capoeira bringt einen um. Workshop jeden Donnerstag, 20 bis 22 Uhr im großen Ballettsaal der Tufa; jeden Sonntag Capoeira und Percussion mit Samba Tormenta in der Tufa. Am 1. Mai "Brasilianische Nacht" im Café Coyote, Trier. Kontakt: Telefon 0160/1219331.

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